Digitales Klassenzimmer - Twitter-Wünsche an den Papst

Köln (dpa) - Kinder und Jugendliche nutzen ganz selbstverständlich Tablets, Smartphones, Internet. Das digitale Lernen in der Schule steckt aber noch in den Kinderschuhen. Das Thema dominiert die weltgrößte Bildungsmesse Didacta.

Die Schüler sind ganz auf ihre Tablet-Computer konzentriert - kein Unterrichtsbuch, keine Ordner, keine Hefte auf den Tischen. Ein Mathekurs des Aldegrever-Gymnasiums im nordrhein-westfälischen Soest geht neue Wege. „Die Schüler haben das Schulbuch in digitaler Form als PDF geladen und mit mehreren Apps kombiniert. Sie haben in dem Buch eigene Texte platziert und die Seiten flexibel gestaltet“, schildert Lehrer Andreas Pallack, der sein Projekt zum Start der weltgrößten Bildungsmesse Didacta in Köln (19. bis 23. Februar) vorstellt.

Weiterer Vorteil: „Der Kurs hat jederzeit in der Schule oder zu Hause Zugriff auf das gesamte Material, auch auf Tafelbilder oder Arbeitsblätter, die wir in einer Cloud speichern“, erklärt Pallack. In der „Internet-Wolke“ werden Daten nicht lokal, sondern im Netz gelagert, sie können von überall abgerufen werden. Der Mehrwert sei beachtlich. Das Arbeiten werde aktiver und selbstständiger.

Das digitale Lernen, das den „Bildungsgipfel“ in Köln dominiert, hält Einzug in die ersten Klassenzimmer. „Das Lehren und Lernen mit einem digitalen Angebot bereichert den Unterricht, ist aus didaktischer Sicht sehr sinnvoll und stärkt das selbstgesteuerte Arbeiten - ist aber noch die Ausnahme“, sagt die Professorin Kerstin Mayrberger vom Institut für Medien- und Bildungstechnologie an der Universität Augsburg.

Zunehmend gefragt sind digitale Unterrichtsbücher. Der Verband Bildungsmedien zeigt das neue Projekt „Digitale Schulbücher“, bei dem Verlage 800 Titel für rund 40 Fächer bereitstellen. Die aktuell 7000 Nutzer laden sich die Bücher in ein virtuelles Regal. Über PC und Laptop können Lehrer und Schüler damit im Klassenraum oder daheim arbeiten. „Das wird sich dynamisch entwickeln“, glaubt ein Verbandssprecher. Eine Tablet- und Smartphone-Version ist in Arbeit.

„Digitalisierte Schulbücher allein haben allerdings noch keinen didaktischen Mehrwert, eher einen organisatorisch-praktischen Nutzen“, sagt Mayrberger. „Innovatives Lernen mit digitalen Mitteln bedeutet, dass Schüler Information über das Schulbuch hinaus gewinnen, sich miteinander vernetzen.“ Und: „Dass sie auf Lernplattformen Aufgaben kooperativ bearbeiten, indem sie gemeinsam oder individuell Ergebnisse sammeln oder mit gegenseitigem Feedback eine Projektarbeit gemeinsam weiterentwickeln.“ Das könne unabhängig von Zeit und Ort auch außerhalb des Unterrichts geschehen.

Für kleinere Kurse in der Oberstufe kann sich die Expertin sogar ein rein virtuelles Klassenzimmer vorstellen: Der Unterricht läuft via Video-Livestream, parallel dazu gibt es einen Chat für den interaktiven Austausch. Schüler brauchen Medienkompetenz und sollen für die digital geprägte Welt gerüstet sein, fordern Fachleute. Dafür müssten Lehrer in Medienpädagogik und Mediendidaktik geschult werden, betont Mayrberger. Jeder Schüler brauche ein mobiles Endgerät. Den meisten Schulen fehlen dafür die Mittel. Das gilt wohl auch für einen interaktiven Schreibtisch mit einer kompletten Touchscreen-Oberfläche und 3D-Fähigkeit, um den sich die Didacta-Besucher scharen.

Bei der Hard- und Software hört es noch nicht auf, weiß Studiendirektor Pallack: „Man braucht die richtige Infrastruktur. Unsere Schule hat nur einen Raum, der mit W-LAN ausgestattet ist. Alle Schüler müssen dauernd online sein, das belastet das Netz. Sind die Akkus leer, haben wir nicht genug Steckdosen.“ Der Aufwand lohne sich aber: Viele Schüler hätten beeindruckende Ergebnisse erzielt. Andere arbeiten allerdings zu Hause lieber mit einem handfesten Buch. Manche fühlen sich von sozialen Netzwerken abgelenkt.

In Köln hat die Kaiserin-Augusta-Schule gute Tablet-Erfahrungen gemacht: Physikschüler bauten eine Internetseite zum Thema Licht auf, stellten Erklärvideos oder Versuchsbeschreibungen für ihre Altersgenossen ein. Religionsschüler entwickelten eine Wiki-Seite zu Kirchen der Umgebung, fotografierten und filmten fleißig mit den iPads. Und dann twitterten die Gymnasiasten noch an Papst Benedikt XVI.: „Gott segne und beschütze Sie. Wir wünschen ein langes Leben.“