Von wegen Kopfsache Entscheidungen im Job: Ausschlaggebend ist der Bauch

München (dpa/tmn) - Ein guter Manager analysiert eine Situation, wägt alle Alternativen ab und trifft dann eine wohlüberlegte Entscheidung. So weit die gängige Vorstellung.

Foto: dpa

Doch die Realität sieht anders aus, sagt Christian Chlupsa, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der FOM Hochschule für Oekonomie und Management. Er hat ein Buch über Entscheidungsprozesse geschrieben. Meistens regiert dabei der Bauch, sagt er - und das oft mit Erfolg.

Herr Professor Chlupsa, Sie haben untersucht, wie Menschen Entscheidungen treffen - mit dem Kopf oder mit dem Bauch. Was ist das Ergebnis?

Christian Chlupsa: Man glaubt oft nur, dass man Entscheidungen rational mit dem Kopf trifft. In Wahrheit rechtfertigt man oft aber nur Entscheidungen, die man mit dem Bauch getroffen hat. Jeder kennt das vom Einkaufen, wenn wir eigentlich unvernünftige Anschaffungen später zu rechtfertigen versuchen. Wir gaukeln uns Rationalität nur vor.

Wie sieht das in der Praxis aus?

Chlupsa: Das beste Alltagsbeispiel ist die Luxusuhr für Hunderte oder Tausende Euro. Die zeigt die Zeit nicht besser an als ein Billigmodell für ein paar Euro. Gekauft wird sie trotzdem, und dann rechtfertigt man das als Geldanlage für spätere Generationen. Aber das war ja nicht der eigentliche Grund für den Kauf.

Und diesen Mechanismus gibt es auch im Management?

Chlupsa: Ja, anhand der Entscheidung für luxuriöse Dienstwagen oder renommierte Unternehmensstandorte zum Beispiel. Man muss gar nicht in München oder Frankfurt, New York oder London sein, im Gegenteil - auch an viel günstigeren und scheinbar abseitigen Standorten können Unternehmen erfolgreich sein. Trotzdem gehen Unternehmen in die teuren Städte und versuchen dann, das als Vernunftentscheidung zu rechtfertigen.

Aber nicht jede Bauchentscheidung ist schlecht, oder?

Chlupsa: Nein, im Gegenteil. Gute Manager treffen auch gute Bauchentscheidungen - weil sie wissen, dass sie sich auf ihre Intuition verlassen können. Gerade die richtig guten Entscheidungen für den Erfolg eines Unternehmens waren oft sehr intuitiv und kamen scheinbar aus dem Nichts. Dafür gibt es reichlich Beispiele, von Apple über Facebook bis zu Porsche.

Aber woher weiß ich, wann ich mich auf meine Intuition verlassen kann?

Chlupsa: Die meisten Entscheidungen im Berufsalltag fallen in Millisekunden. Das sind dann immer Entscheidungen aus dem Bauch heraus, bei denen der Entscheidungsprozess unterbewusst abläuft. Das gelingt aber nur, wenn ich in meinem Job und meiner Branche genug Erfahrung habe.

Und wie lange dauert das?

Chlupsa: Wir wissen aus der Forschung, dass es etwa 10 000 Stunden braucht, bis ich etwas richtig beherrsche. Nach etwa fünf Jahren bin ich im Job also so weit, dass ich unterbewusst meistens richtige Entscheidungen treffe - und dann den Kopf frei habe für Zusammenhänge und andere Dinge. Das kennt jeder vom Autofahren: Ganz am Anfang ist das noch anstrengend, nach ein paar Jahren läuft das fast automatisch. So muss ich auch im Job irgendwann nicht mehr groß nachdenken. Und umgekehrt muss ein Neueinsteiger oft geistig ein paar Schritte zurücktreten und eine Entscheidung erst richtig überdenken.

Gut sind Manager etwa also erst, wenn sie ein paar Jahre Erfahrung haben?

Chlupsa: Ja, und da ist das Problem. Denn in vielen Unternehmen wechseln die Manager ja nach fünf Jahren durch, teilweise schon nach drei. Wir jagen die Leute also genau in dem Moment vom Hof, in dem sie richtig gut sind.

Was wäre die Lösung? Weniger wechseln, länger an einem Arbeitsplatz bleiben?

Chlupsa: Zum Beispiel. Ich plädiere dafür, den Mut zu haben, mehr Bauchentscheidungen zuzulassen. Unsere Forschung zeigt, dass gerade in Gruppen eigentlich überhaupt keine Kopfentscheidungen mehr getroffen werden - da regiert nur noch der Bauch. Wenn das ohnehin so ist, dann sollte man es auch zulassen und die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass die richtigen Bauchentscheidungen getroffen werden.

Service:

Chlupsa, Christian: Der Einfluss unbewusster Motive auf den Entscheidungsprozess. Wie implizite Codes Managemententscheidungen steuern, Springer Gabler 2017, 263 Seiten, 44,99 Euro. ISBN-13: 978-3-658072308