Exotin im Hörsaal? Als Frau Elektrotechnik studieren
Manching (dpa/tmn) - Wer im bayerischen Manching unweit von der Firma Airbus aufgewachsen ist, hat das Kerosin schon in der Nase, heißt es. Bei Julia Kolbinger war es so. Nach ihrer Schulzeit entschied sich die Manchingerin für ein duales Studium der Elektro- und Informationstechnik.
Die Praxis bot der Flugzeughersteller Airbus, die Theorie die Technische Hochschule in Ingolstadt. Rund 60 Studenten hatte der Studiengang, Kolbinger war eine von zehn Frauen.
Damit liegt der Studiengang der Hochschule in Ingolstadt über dem Durchschnitt. Der liegt laut Zahlen des Statistischen Bundesamtes vom Wintersemester 2013 bei rund 10 Prozent. Damit ist Elektrotechnik unter den größten Fächern der Studiengang mit dem geringsten Frauenanteil. Das Gegenteil ist Erziehungswissenschaften und Pädagogik: Dort liegt er bei 78 Prozent.
„Fakt ist, dass Frauen oft an dem Nutzen interessiert sind und weniger an technischen Spielereien“, erklärt Christina Haaf vom Nationalen Pakt für Frauen in MINT-Berufen. Deshalb seien technische Studiengänge, die Wörter wie regenerativ oder Umwelt im Namen tragen, unter Frauen beliebt. In den klassischen MINT-Fächern - Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik - werde der Fokus in den ersten Semestern hingegen vornehmlich auf abstrakte Formeln gelegt.
„Am Anfang müssen Studenten in der Elektro- und Informationstechnik erst einmal durch die Grundlagen durch. Die sind verpflichtend“, erläutert Elektrotechnikerin Kolbinger. „Dazu gehören mindestens zwei Programmiersprachen, Physik, Elektrotechnik und Mathematik.“
Wobei an letzterer viele Studenten scheitern. Wichtig sei, dass ein gewisses Maß an mathematischem Grundverständnis schon vorhanden ist. Außerdem brauchen Studenten Disziplin und Durchhaltevermögen. In späteren Semestern können sie dann Schwerpunkte wie Telekommunikation oder Fahrzeugtechnik wählen und ihren eigenen Interessen folgen.
Außerdem empfiehlt die 24-Jährige die Vorkurse an den Universitäten, in denen das Grundwissen noch vor Studienbeginn aufgefrischt wird. Einige Hochschulen bieten zur Vorbereitung auch Ferienprogramme für Schüler an. Auch mit der Wahl der Leistungskurse in der Schule ist eine gute Vorbereitung gewiss - neben den Naturwissenschaften empfiehlt sich Englisch, da viele Fachbegriffe in der Elektrotechnik in der Sprache sind.
Brechen Frauen das Studium ab, liegt der Grund nicht unbedingt im Schwierigkeitsgrad der Fächer. „Nach wie vor herrscht die Meinung, dass Frauen nicht dort hinein passen. Sie gelten als Exoten“, sagt Walter Börmann vom Verband der Elektrotechnik. Julia Kolbinger kann das bestätigen. „Ich bin blond und blauäugig. Für manche hat das mit meiner guten Studienleistung in Mathematik nicht zusammengepasst“, erinnert sie sich. Früher hat sie das geärgert, heute lächelt sie darüber.
Für ein Studium wie Elektrotechnik müssten Studentinnen selbstbewusst genug sein, um arroganten Sprüchen schlagfertig zu begegnen, rät sie. Außerdem sei es wichtig, mit Problemen nicht alleine zu bleiben, sagt Haaf vom Nationalen Pakt für Frauen in MINT-Berufen. Der Austausch ist wichtig. Dabei können Netzwerke helfen. Das können Mentorinnenprogramme der Universitäten oder Lerngruppen für Frauen sein, aber auch Frauenbeauftragte, verbündete Kommilitonen oder Professoren, die Verständnis für Probleme mitbringen.
Das Studium der Elektrotechnik hat für Frauen aber auch Vorteile. Und die sind nicht unerheblich. Die Hilfsbereitschaft der männlichen Kommilitonen gegenüber Frauen ist sehr groß. Außerdem sind Themen wie Fachkräftemangel und Frauenquote in den vergangenen Jahren immer präsenter geworden. „Entsprechend gut sind die Chancen auf dem MINT-Arbeitsmarkt“, sagt Haaf. Absolventinnen können im Vergleich zu Geisteswissenschaftlern außerdem ein relativ hohes Gehalt, einen sicheren Arbeitsplatz und eine Beschäftigung in Vollzeit erwarten.
Julia Kolbinger hat mittlerweile ihren Bachelor in Elektro- und Informationstechnik beendet. Für ihre Abschlussarbeit bekam sie eine Auszeichnung vom Bayerischen Wissenschaftsministerium. Heute arbeitet sie für Airbus in Manching - aber nur in Teilzeit. Die restliche Zeit füllt sie mit einem berufsbegleitenden Master an der Technischen Hochschule in München. „Ich spiele mit dem Gedanken zu promovieren“, erzählt sie. Ihr Beispiel zeigt: Elektrotechnik muss nicht ausschließlich Männersache bleiben.