Hamburgs erstes Azubi-Wohnheim
Hamburg (dpa) - Der Empfangsbereich ist in hellen Farbtönen gehalten, an der Rezeption sitzen zwei junge Mitarbeiter und grüßen freundlich. Jugendliche kommen und gehen. Man kommt sich vor wie in einem Hostel, nicht wie in einem Wohnheim.
Im Neubaukomplex des Azubiwerks Hamburg im Stadtteil Eilbek steht die Lebensqualität und Betreuung der Auszubildenden im Vordergrund. Die Wohnanlage bietet 156 Azubis WG-Zimmer oder Einzelapartments bei einer Miete zwischen 350 und 410 Euro warm, inklusive Strom und Internet - ein Schnäppchen für den überteuerten Hamburger Wohnungsmarkt. Seit Ende Juni steht das Wohnheim, Anfang August wurde es offiziell eröffnet.
„Ich wollte unbedingt einen Platz bekommen und war heilfroh, als die Zusage kam“, sagt Aaron Schürmann. Der 18-jährige Düsseldorfer hat seine Lehre zum Hotelfachmann im 25hours-Hotel in der HafenCity angefangen. „Egal, ob man Schichtdienst hat oder einfach seine Ruhe haben will. Hier nehmen alle aufeinander Rücksicht“, erzählt er und präsentiert die WG, die er sich mit seinen drei Mitbewohnern teilt.
Aarons Zimmer ist etwa 14 Quadratmeter groß und wie alle anderen Schlafzimmer mit einem Grundmobiliar ausgestattet: Bett, Schreibtisch, Kommode und Kleiderschrank. Die Fenster reichen bis zum Boden, in der Küche steht ein Esstisch. Alles ist noch ein wenig roh und neu.
Das Schmuckstück der Anlage: Die große Dachterrasse mit Grill und Kräutergarten. Hier sitzen die Azubis nach Feierabend oft zusammen. Sie sind fast zu einer Art Ersatzfamilie geworden, denn viele der jungen Menschen sind das erste Mal von zu Hause fort und auf sich selbst gestellt. Kein Wunder, dass die Nachfrage nach den Zimmern immens ist: die WGs und Einzelapartments in dem Wohnkomplex sind komplett ausgebucht.
Bewerben können sich Auszubildende zwischen 16 und 27 Jahren. „Wenn man von außerhalb kommt, stehen die Chancen gut. Auch Minderjährige und die Auszubildenden kleinerer Betriebe werden leicht bevorzugt. Wir wollen eine bunte Mischung haben“, erklärt Wolfgang Nacken, pädagogischer Leiter des Wohnheims. Azubis aus zwölf Ländern und von vier Kontinenten wohnen derzeit hier.
Bei Fragen oder Problemen wenden die Bewohner sich an den 48-jährigen Diplom-Pädagogen. Unterstützt wird er von einem Team pädagogischer Mitarbeiter, die auch den Empfang besetzen. Insbesondere für die 80 Minderjährigen, die in der Wohnanlage leben, ist die Betreuung wichtig. Sie unterliegen - anders als erwachsene Studenten - per Gesetz der Heimaufsicht. Es muss also rund um die Uhr ein pädagogischer Ansprechpartner in der Wohnanlage zur Verfügung stehen. Für sie und die volljährigen Nachbarn gelten dieselben Regeln: Auf den Zimmern herrscht Rauchverbot, hochprozentiger Alkohol darf nicht getrunken werden. Übernachtungsbesuch ist ausschließlich am Wochenende erlaubt und ab 22 Uhr herrscht Nachtruhe.
Der pädagogische Ansatz ist das Besondere am Konzept vom Azubiwerk. Denn die jungen Menschen sollen möglichst gut betreut werden und gleichzeitig ihren eigenen Freiraum und Zeit für sich haben. „Ich finde es cool, in einem eigenen Apartment zu wohnen, aber trotzdem immer die Möglichkeit zu haben, hier neue Leute kennenzulernen“, sagt die 19-jährige Bewohnerin Finja Ohrt von der Nordseeinsel Pellworm. Um in Kontakt mit anderen Bewohnern zu kommen und auch die Stadt besser kennenzulernen, bietet das Leitungsteam unterschiedliche Freizeitangebote an. Fahrradtouren, Kicker- und Filmabende oder Tischtennisturniere sollen die Gemeinschaft fördern.
Für Studenten gebe es mehrere und deutlich bessere Wohnlösungen, meint Wohnheimleiter Wolfgang Nacken. Politikberater Patrick Fronczek kam schließlich in Gesprächen mit Gewerkschaftlern auf die Lösung. Er gründete die Azubiwerk-Stiftung und warb um die Kooperation mit der ZEIT-Stiftung. Die ist nun Eigentümer der Wohnanlage, während sich die Stiftung Azubiwerk um den Betrieb kümmert. Die Handelskammer und die Stadt Hamburg zahlen über einen längeren Zeitraum in einen Fonds ein, mit dem Freizeitangebote und das Personal bezahlt werden.
Fronczek und Nacken rechnen fest mit weiteren Projekten. Denn der Andrang steigt. In Harburg und Steilshoop sind bereits die Verträge für den Bau von zwei Wohnunterkünften unterschrieben worden. „Unser Ziel ist es, bis 2022 über 1000 Plätze für Azubis zu schaffen“, sagt Nacken. Und die Expansion Richtung Süden scheint auch möglich: aus anderen Bundesländern hat es bereits Anfragen gegeben.