„Mahlzeit“ - Kein geregelter Teil bei der Arbeit
Berlin (dpa) — Arbeitnehmer klagen über immer mehr Stress im Job. Viele nehmen sich nicht einmal mehr Zeit für eine Mittagspause. Dabei kann die so schön und wichtig sein - auch wenn sie nicht so lang ausfällt wie einst die „Siesta“ in Spanien.
Currywurst in der Kantine, Yoga oder ein Nickerchen auf der Couch im Ruheraum — viele Arbeitnehmer pflegen in der Mittagspause ihre Rituale. Schon morgens werden eifrig die Speisekarte der Kantine und das Mittagsmenü beim Chinesen gegenüber studiert. Dann reger E-Mail-Austausch: Wer macht mit wem, wann und wo Pause? Andere schütteln darüber nur den Kopf: Sie essen vorm Computer schnell ein belegtes Brötchen — oder einfach gar nichts. Jeder vierte Arbeitnehmer in Deutschland lässt die Mittagspause einer Studie zufolge häufig ausfallen. Und das, obwohl viele Unternehmen längst mehr bieten als nur den Eintopf in der Kantine.
„Eine Mittagspausenregelung im engeren Sinne gibt es in Deutschland nicht“, sagt der Leiter des gewerkschaftsnahen WSI-Tarifarchivs, Reinhard Bispinck. „Die Rahmenbedingungen sind im Arbeitszeitgesetz festgelegt.“ Dort heißt es, dass Beschäftigte spätestens nach sechs Stunden Arbeit eine Pause machen müssen. Wer zwischen sechs und neun Stunden arbeitet hat insgesamt mindestens 30 Minuten Pause, bei mehr als neun Stunden sind es mindestens 45 Minuten. Die Details könnten dann in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen geregelt werden, erklärt der Tarifexperte.
In der Praxis handhaben die Firmen die Mittagspause ganz unterschiedlich. „In manchen Betrieben passiert das auf Vertrauensbasis, in anderen werden die Pausenzeiten mit der Stechuhr erfasst“, sagt Bispinck. Auch die Angebote für die Mitarbeiter variieren von Unternehmen zu Unternehmen.
Beim weltgrößten Rückversicherer Munich Re gibt es für die Mitarbeiter am Standort München kostenloses Mittagessen. Die meisten der 3800 Beschäftigten nutzen dieses Angebot, sagt Sprecherin Johanna Weber. Wer sich in der Pause gerne bewegen möchte, kann Kurse wie Qigong besuchen. „Es gibt auch viele Mitarbeiter, die in der Pause im Englischen Garten joggen oder spazieren gehen.“ Zeitdruck gibt es in der Regel nicht. „Wir haben Gleitzeit, eine feste Mittagspause gibt es nicht. Wir sind ja keine produzierendes Unternehmen, wo die Bänder stillstehen würden, wenn alle gleichzeitig Mittagspause machen.“
Beim Autobauer Daimler hat jeder Mitarbeiter 40 Minuten Mittagspause, sagt eine Sprecherin. Die Zeit kann er für Sport wie Yoga, Pilates und Zirkeltraining nutzen. Auch Gesundheitskurse wie Rückentraining stehen auf dem Programm. Essen gibt es in Kantinen, Restaurants, Bistros und kleinen Läden auf dem Werksgelände. Ein Lieblingsgericht der Daimler-Mitarbeiter: Linsen mit Spätzle.
„Erreichbarkeit, Qualität und Preis - das sind die entscheidenden Kriterien für die Wahl des Mittagessens“, sagt die Berliner Ernährungsmedizinerin Ute Gola. „In der Großstadt ist das Angebot meist am vielfältigsten. In der Kleinstadt bleiben häufig der Mittagstisch beim Italiener gegenüber oder der Imbiss.“ Ein Drittel der Berufstätigen in Deutschland beklagt einer Studie der Techniker Krankenkasse zufolge, dass eine gesunde Ernährung bei der Arbeit nicht möglich sei. Jeder Zweite gab an, in den Arbeitspausen auch gar nicht die Zeit zu haben, in Ruhe zu essen.
Auf dem Schreibtisch türmt sich die Arbeit, der Mail-Eingang läuft voll und der Chef will unbedingt noch heute die Präsentation auf dem Tisch haben. Und jetzt noch eine halbe Stunde Pause machen? „26 Prozent der abhängig Beschäftigten in Deutschland lassen die Pause häufig ausfallen“, sagt die Autorin des „Stressreport Deutschland 2012“, Andrea Lohmann-Haislah, von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. „Diejenigen, die besonders lange arbeiten, lassen am häufigsten die Pause aus.“
Die Expertin warnt: „Wenn wir arbeiten, verbrauchen wir mehr Energie. Deshalb ist es wichtig, zwischendurch Pausen zu machen und sich zu erholen.“ Helfen kann ein kurzer Mittagsschlaf, Bewegung an der frischen Luft — oder auch ein Mittagessen mit Kollegen. „Für die meisten Menschen ist es schön, in Gesellschaft zu essen. Das gilt aber nur, wenn schon ein Gemeinschaftsgefühl da ist“, sagt Ernährungsmedizinerin Gola. Und ein Essen mit Vorgesetzten? „Beim Chef hängt das sehr davon ab, wie die Beziehung ist.“