Marc vom Ende: „Wir Parfümeure sind Illusionisten“
Holzminden (dpa) - Gerüche steuern unser Handeln, ohne dass wir es merken. Marc vom Ende komponiert Düfte beim Unternehmen Symrise in Holzminden, einem der weltweit führenden Duftstoffhersteller. Der Parfümeur schildert in einem Interview seinen Arbeitsalltag.
Die Kunst des Parfümeurs liegt darin, mit einem Duft eine bestimmte Atmosphäre zu erzeugen - das gilt für ein edles Parfüm genauso wie für einen Toilettenreiniger. Marc vom Ende komponiert Düfte. Dabei verbringt der 44-Jährige den Großteil seines Arbeitstages nicht im Labor, sondern am Computer, wie er im Interview erzählt.
Sie gehören zum exklusiven Kreis der etwa 30 Parfümeure in Deutschland und haben bekannte Parfüms wie „IcebergHomme“ kreiert. Sehen Sie sich eher als Handwerker, Wissenschaftler oder Künstler?
Vom Ende: Es ist eine Mischung von allem. Zunächst sitze ich am Computer und stelle Komponenten für eine Rezeptur zusammen. Das können 20 bis 80 Komponenten oder mehr sein. Wenn dann aus der Mischanlage die Komposition kommt, die ich mir vorgestellt habe, sind das Momente des Glücks. Zum Handwerk gehört zu wissen, welche Kombination welchen Effekt ergibt. Zum Beispiel riecht Zuckerwatte zusammen mit frisch gemähtem Gras nach Erdbeeren. Die künstlerische Seite ist, dass wir eine bestimmte Aura, eine Atomsphäre erzeugen. Wir Parfümeure sind im Grunde Illusionisten.
Sie mixen Düfte für Kunden in aller Welt. Wie unterscheiden sich die Vorlieben rund um den Globus?
Vom Ende: Die Vorlieben sind abhängig von dem, was Menschen in ihrer Kultur gelernt haben. Dabei spielen das Essen, also die Gewürze und die Getränke eine große Rolle. Im Amerika zum Beispiel gibt es Zimtkaugummi und Zimtzahnpasta. Ein Hersteller hat die Zimtzahnpasta dann auch in Europa eingeführt, aber keiner wollte sie kaufen. Wir assoziieren Zahnpasta mit Minze. Woran das kulturgeschichtlich liegt, weiß ich nicht.
Sie müssen von Berufs wegen eine feine Nase haben. Leiden Sie unter Geruchsbelästigung, etwa an einer stark befahrenen Straße?
Vom Ende: Ich beobachte meine Umgebung ständig geruchlich, aber Gestank stört mich nicht. Als ich in Paris gelebt habe, bin ich gern Metro gefahren, obwohl es dort nicht immer angenehm riecht. Auch schöne Düfte haben Inhaltsstoffe, die richtig stinken, es kommt auf die Konzentration an.
In Hannover läuft bis Samstag (7. September) eine Tagung der Volkswagenstiftung, bei der sich Geruchsforscher aus verschiedenen Disziplinen treffen. Hat die Wissenschaft Ihre konkrete Arbeit als Parfümeur beeinflusst?
Vom Ende: Ich beobachte die Entwicklungen mit Interesse. So haben Forscher herausgefunden, dass bestimmte Stoffe andere blockieren können. Die Forschung bestätigt in diesem Punkt das, was wir Parfümeure aus der Praxis schon lange wissen.
Hersteller von Kosmetik- und Reinigungsmitteln wissen um die Macht der Düfte. Entscheidet der Duft darüber, ob ich ein Produkt kaufe?
Vom Ende: In Amerika ist es verbreiteter als bei uns, dass zum Beispiel in Supermärkten ein Duft versprüht wird, um die Kunden zum Kaufen zu animieren. Ich mag es nicht, wenn mit Duft versucht wird zu manipulieren. Man muss die freie Wahl haben.
In welchen Bereichen des Lebens spielen Gerüche bisher noch nicht die Rolle, die sie aus Ihrer Sicht sollten?
Vom Ende: Die Menschen werden sich immer mehr bewusst, wie wichtig Duft für das Wohlbefinden ist. Ich glaube, dass es in Zukunft mehr transportable Düfte geben wird. Wenn man viel unterwegs ist, kann man auf diese Weise beispielsweise den Duft von Zuhause auf einem Stick mitnehmen und im Hotel auf das Kopfkissen streichen.