Pferdewirtschaft: Studium ohne Reiterhof-Romantik

Nürtingen (dpa) - Professor Dirk Winter leitet Deutschlands ersten Lehrstuhl für Pferdewirtschaft. Der recht neue Studiengang im baden-württembergischen Nürtingen zieht vor allem junge Frauen an. Reiterhof-Romantik soll aber nicht aufkommen.

Auf den ersten Blick hat es etwas von Reiterhof-Romantik: Leicht verstreut liegen die fünf Gebäude des Hofs Jungborn im Tiefenbachtal - Ställe, Schuppen, Lagerräume. Auf den weitläufigen Weiden grasen hier und da einige Pferde. Im Hintergrund erheben sich die Ausläufer der Schwäbischen Alb.

Das war's aber auch schon mit Idylle. „Wir widmen uns hier dem Pferd als Wirtschaftsgut“, sagt Dirk Winter. Der 48-jährige Niedersachse leitet seit Oktober 2010 Deutschlands ersten Lehrstuhl für Pferdewirtschaft an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen. Jedem Eindruck von Ponyhof-Romantik wolle er vehement entgegentreten, betont Winter.

Wie können automatisierte Futterstationen effektiver werden? Wie können Pferde acht- bis zehnmal am Tag mit passgenauen Portionen gefüttert werden? Welcher Belag auf der Auslauffläche in Pferdeboxen schont die Hufe? Die Fragen, denen Winter und seine Studenten auf dem der Hochschule angegliederten Lehr- und Versuchsbetrieb Jungborn nachgehen, sind ökonomisch orientiert. „Wir bekommen sehr viele Anfragen von Betrieben, die Leute mit Pferde- und Wirtschaftskenntnissen suchen“, erklärt Winter.

Nur in wenigen Kursen kommen die Studenten direkt mit Pferden in Kontakt. „80 Prozent der Ausbildung findet in Hörsälen statt“, sagt Winter. Volkswirtschaftslehre, Unternehmensführung, Controlling, Pferdezucht und -haltung. „Wir bilden Fach- und Führungskräfte für die Pferdebranche aus.“ Für Ausrüstungs- und Zubehörunternehmen, Zuchtverbände, Tourismus sowie Stall- und Anlagenbaubetriebe.

Die ersten Absolventen, die 2013 ihren Bachelorabschluss erhalten sollen, strömen in eine starke Branche. Allein im Südwesten setzt die Pferdebranche nach Angaben von Karl-Heinz Vollmer vom Pferdekompetenzzentrum Baden-Württemberg in Gomadingen rund 500 Millionen Euro jährlich um. 35 000 Arbeitsplätze würden durch Pferde geschaffen, beispielsweise auf Bauernhöfen aber auch im Turniersport und der Zulieferindustrie.

Der neue Studiengang ist gefragt: „Auf 50 Plätze jährlich kommen 400 Bewerbungen“, sagt Gerhard Schmücker, Sprecher der Hochschule. Die Bewerbungen kämen dabei im Gegensatz zu anderen Fächern aus der ganzen Republik. „Bisher gab es in Deutschland nur die dreijährige Ausbildung Pferdewirt, die Uni Göttingen bietet einen Masterstudiengang Pferdewissenschaften an, in den unsere Studenten wechseln können“, sagt Winter. Vorbilder für den Nürtinger Studiengang habe es in Österreich, Holland und den USA gegeben.

Die überwältigende Mehrheit der inzwischen 150 Studenten am Lehrstuhl sind Frauen. Gerade einmal vier Männer tummeln sich unter ihnen. „Die Männer kommen meist aus dem Sportreiten“, sagt Professor Winter. Vor allem junge Mädchen aber suchten den Kontakt zu Pferden, würden von ihrer Größe, Ruhe und Schönheit angezogen, meint Winter. „Pferdeleidenschaft ist weiblich.“