Tierentsorger sollte robuste Seelen sein
Fritzlar (dpa) - Abdecker - das war einmal. Der Beruf des Tierentsorgers ist im 21. Jahrhundert angekommen und wohl so wichtig wie nie zuvor. Die alten Vorurteile haften dem Berufsbild aber teilweise immer noch an - und der Geruch manchmal auch.
Der Geruch von Tod und Verwesung wabert nur selten in die Nase - und selbst das nimmt Hermann Waage nicht mehr wahr. Von Kindesbeinen an ist der 55-Jährige mit toten Tieren vertraut. Der Tierverwerterberuf liegt ihm im Blut. „Ich bin damit groß geworden. Und schon mein Urgroßvater war Abdecker in Metz. Ich betreibe den Beruf in der vierten Generation“, erzählt er. Seit fast 100 Jahren sitzt das Unternehmen im nordhessischen Fritzlar.
Genau genommen ist Waage allerdings kein Abdecker mehr, sondern ein Entsorger und Transport-Kaufmann, der sich eben um tote Schafe, Pferde oder Kühe und Tierabfälle kümmert. Zu den außergewöhnlichsten Lieferungen gehörten ein Nashorn, ein Elefant und ein Löwe. „Auch in einem Zirkus stirbt mal ein Tier“, sagt Waage.
Abdecker lebten wegen des Gestanks früher oft außerhalb der Städte und weitgehend isoliert. Der Begriff kommt aus der Zeit, als Abdecker nach dem Tod der Tiere das Fell abgezogen haben, das dann zu Leder weiterverarbeitet wurde. „Das lohnt sich heute nicht mehr, seitdem jeder Kunstleder trägt. Mein Opa hat noch Seife hergestellt“, betont Waage, der seit 1976 im Betrieb ist und ihn 1989 mit zwei seiner Brüder übernommen hat.
Mittlerweile ist er alleiniger Geschäftsführer, seine Brüder sind im Ruhestand. Ob es auch eine fünfte Generation geben wird, steht noch nicht fest. Es gibt zwar Schwiegersöhne und Enkel, aber bekannt hat sich noch keiner. „Ich arbeite daran.“
Sein Job läuft so: In der Regel ruft ein Landwirt an, wenn eines seiner Tiere verendet ist. Der Abholauftrag geht über ein technisches System direkt an einen der 17 Lastwagenfahrer, der dann die Tierkadaver vom Landwirt oder Tierreste aus der Schlachterei holt. „Wir wollen es möglichst frisch bekommen, auch um eine Geruchsbelästigung zu vermeiden“, erzählt Waage.
Den Tierkadavern und -resten wird zunächst das Wasser entzogen und diese Masse anschließend in Fett und Tiermehl geteilt. Bis 1989 wurde die sogenannte thermische Behandlung bei 143 Grad auch noch auf dem Waage-Hof gemacht, doch dafür sind mittlerweile nur noch Großbetriebe zuständig. „Das ist auch sinnvoll“, betont Waage. Angst um seine Zukunft hat er nicht. „Die Menschen essen immer Fleisch. Je mehr sie darauf achten, dass es aus der Region kommt, umso mehr Fleischabfälle gibt es.“
Ekel empfindet er in seinem Beruf nicht. „Wir machen einen Job, der wichtig ist. Das ist auch zum Schutz vor Seuchen. Man kann so was nicht einfach zur Seite legen.“ Deshalb ist er auch gegen Tierfriedhöfe, zu unhygienisch.
Die Beseitigung von Tierkadavern ist mittlerweile mindestens so bürokratisch wie die Aufgaben nach dem Tod eines Menschen. Bei jeder älteren Kuh wird der Kopf abgetrennt und das Kleinhirn auf BSE untersucht. Der Tierarzt ist jeden Tag auf dem Gelände. „Allein im ersten Quartal hatten wir 780 BSE-Proben. Alles wird dokumentiert und protokolliert“, erzählt Waage.
Lastwagenfahrer Volker Gilga hat außer Schlachtabfällen auch eine tote Kuh auf den Hof gebracht. „Es riecht ein bisschen mehr, aber mir macht das nichts aus“, erzählt er. Der 51-Jährige macht den Job seit zehn Jahren. So wie Gilga reagieren nicht alle. Manch ein Bewerber für den Fahrerjob musste sich beim Anblick der toten Tiere und der Tierabfälle übergeben.