Überfüllte Unis: Studenten müssen sich gut vernetzen

Frankfurt (dpa/tmn) - Vorlesungen in der Kirche und Platzreservierungen für die Bibliothek: Die Hochschulen sind nach dem Ende der Wehrpflicht und wegen der doppelten Abiturjahrgänge überfüllt. Wer das Semester dennoch mit Erfolg krönen will, muss sich Verbündete suchen.

Wenn Franziska Prechtl um 8.00 Uhr morgens im Hörsaal sitzt, hat sie es geschafft. Bis 18.00 Uhr steht sie dann möglichst nicht mehr auf. Der Platz ist zu wertvoll. Sie studiert im zweiten Semester Betriebswirtschaftslehre in Erlangen. Nach dem Ende der Wehrpflicht und wegen der doppelten Abiturjahrgänge in Niedersachsen und Bayern ist die Universität wie viele andere in Deutschland völlig überfüllt. „Wenn man auf die Toilette geht, ist der Platz weg“, berichtet sie. Sie ist längst nicht in alle Seminare gekommen, die sie belegen wollte. In denen, die sie besuchen darf, ist der Geräuschpegel so hoch, dass man nichts mitbekommt. Besserung ist nicht in Sicht. Um dennoch erfolgreich durchzukommen, sollten Studenten sich organisieren.

Grundsätzlich gibt es zwei Wege, die Sache anzugehen. Der eine ist die Ego-Methode: Früher da sein als die anderen, schneller den Raum wechseln, Mitschriften nicht weitergeben, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Max Rudel vom Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) der Universität in Frankfurt sagt aber: „Das geht langfristig nicht auf. Dass sich die Studenten in dieser Situation organisieren, ist das Wichtigste.“ Wenn Studenten im Seminar sitzen und noch Leute am Flur stehen, solle man nicht wegsehen, sondern die Tische umstellen. „Man könnte auch sagen: Gut, wir setzen uns alle auf den Boden, dann können alle hinein“, sagt Rudel.

Auch Franziska Prechtl rät, sich Verbündete zu suchen. Mit einigen Kommilitonen hat sie sich praktische Strategien angeeignet: „Wir schicken immer nur einen in die Vorlesung. Der verteilt danach seine Mitschriften. Außerdem haben wir Facebook-Gruppen gegründet, in denen wir Plätze in Seminaren getauscht haben.“ Studenten sollten soziale Netzwerke wie Facebook nutzen, um sich über freie Plätze, fehlende Skripte, Tipps und Tricks auf dem Laufenden zu halten.

Timotheus Kartmann rät außerdem, sich den AStA ins Boot zu holen: „Wir helfen zum Beispiel beim Erstellen des Stundenplans oder beraten, wenn man nicht in ein benötigtes Seminar kommt.“ Er empfiehlt allen Studenten: „Anrufen, dranbleiben, belästigen: Dann klappt es oft doch noch“, sagt der Referent für Hochschulpolitik des AStA Frankfurt. Wer sich Räume für Lerngruppen organisieren möchte, dem hilft ebenfalls der AStA an vielen Unis weiter.

Wer nicht in Seminare kommt, kann auch rechtlich etwas tun: „Viele wissen nicht, dass man ein gesetzliches Recht hat, in der Regelstudienzeit fertig werden zu können“, sagt Filip Heinlein vom AStA der Uni Kassel. Er empfiehlt Studenten, die sofort ganz konkrete Verbesserungen wollen, hartnäckig zu sein: „Wir haben so erreicht, dass die Mensa nach 15.00 Uhr als Lernraum öffnet und die Bibliothek am Sonntag offen ist.“

Doch auch die Hochschulen versuchen, Abhilfe zu schaffen. Jeder Student sollte sich erkundigen, ob an seiner Universität Vorlesungen gefilmt und später im Web übertragen werden. „Das ist eine tolle Möglichkeit, wenn man keinen Platz mehr bekommen hat. Zwei oder drei Tage später kann ich mir viele Vorlesungen von zu Hause aus im Netz anschauen“, sagt Franziska Prechtl.

Wenn die Uni allein nicht mehr reicht, kann zum Beispiel Jana Veckenstedt von der Vlax-Nachhilfe weiterhelfen. Sie bietet in Dresden Nachhilfe für Studenten an. Wegen der besonderen Situation in diesem Jahr erwartet sie eine große Welle zum Ende des Jahres. Vor den Prüfungen bietet sie auch Crash-Kurse an. Veckenstedt kann sich vorstellen, dass es bald Nachahmer in vielen Städten und Fachrichtungen gibt, denn: „Wir helfen Leuten, die sonst ihr Studium abbrechen müssten.“

Damit es nicht so weit kommt, sollten Studenten laut Franziska Prechtl weiter auf Zusammenarbeit setzen: „Wir sprechen uns jetzt auch ab und halten Plätze für Leute warm, die in die folgende Veranstaltung im gleichen Raum wollen“, sagt sie.

In Frankfurt hat die Überfüllung der Uni nun schon einer Studentin ein Thema für die Hausarbeit beschert: Sie schreibt im Fach Pädagogik über die Studiensituation und den gestiegenen Leistungsstress. Die übervolle Uni könnte ihr am Ende noch eine gute Note bescheren.