Von Priester bis Personaler: Theologen sind gefragt
Freiburg (dpa/tmn) - Theologen arbeiten immer in der Kirche oder als Religionslehrer? Von wegen! Mit ihrer Allgemeinbildung und sozialen Kompetenz sind sie längst in anderen Berufen gefragt. Sogar in Unternehmensberatungen kommen Absolventen unter.
Kann ich daran glauben? Die Zweifel kamen Jonas Kämmerling mit der Pubertät. Bis dahin hatte er den katholischen Alltag in seinem Elternhaus einfach mitgemacht: In die Kirche gehen, gemeinsam beten oder die Bibel lesen. Von klein auf machten ihn seine Eltern mit dem Glauben an Gott vertraut. Kämmerling ist als Kind Messdiener und später Pfadfinder. Jahrelang hört er die Glaubenssätze wie die von der Dreifaltigkeit Gottes und der jungfräulichen Geburt Marias. Irgendwann kommt er ins Grübeln: „Geht das überhaupt?“
„Ich habe mich damals gefragt: Kann man vernünftig sein und glauben, dass es einen dreifaltigen Gott gibt?“ Die Mehrheit seiner Messdiener-Kollegen kehrt der Kirche als Teenager den Rücken. Kämmerling bleibt dabei. Um seinen Zweifeln auf den Grund zu gehen, fängt er nach dem Abitur an, Theologie zu studieren. Mittlerweile ist er in Freiburg im fünften Fachsemester.
Kämmerling ist einer von rund 22 000 Hochschülern in Deutschland, die Katholische Theologie studieren. Die meisten (15 328) studieren auf Lehramt, so die aktuellsten Zahlen der Deutschen Bischofskonferenz für das Wintersemester 2010/2011. Deutlich weniger (5840) sind für Theologie als Vollstudium eingeschrieben.
Die ersten Semester sind bei Theologie als Vollstudium kein Zuckerschlecken: Hebräisch, Altgriechisch und Latein gehören zum Pflichtprogramm. Außerdem stehen Fächer wie Bibelkunde, Kirchenrecht und Philosophie auf dem Stundenplan. Schafft Kämmerling die Regelstudienzeit, ist er nach zehn Semestern fertig. In der Hand hat er dann einen Magister. Dieser würde ihn zu einer Tätigkeit als Priester oder Pastoralreferent qualifizieren.
Doch Kämmerling will nicht. „Ich würde gerne in die Politikberatung gehen und als Referent für religiöse Fragen für Stiftungen oder Parteien arbeiten“, sagt er. Denn eine Anstellung in der Kirche kann er sich nicht vorstellen. Er ist sich nicht sicher, ob er den erwarteten, korrekten Lebenswandel erfüllt. Außerdem stört ihn das Ungleichgewicht zwischen Priestern und Pastoralreferenten. Denn Priester seien immer Vorgesetzte.
So wie Kämmerling geht es vielen Absolventen. Nur eine Minderheit schlägt den Weg zum Priester ein. 2011 gab es im Priesterseminar nur 912 Kandidaten. Was also macht der Rest mit einem abgeschlossenen Studium in katholischer Theologie?
„Absolventen sind etwa im Journalismus gefragt“, sagt Patrick Becker, der ein Buch zum Thema Berufsaussichten für Theologen geschrieben hat. Denn Theologen sind Experten in Sachen Kirche und Religion. Über beides berichteten die Medien regelmäßig - und bräuchten dafür Fachleute.
„Viele kommen auch im Bildungsbereich unter“, so Becker. Absolventen unterrichten etwa an Volkshochschulen oder Akademien für Erwachsenenbildung. Hier seien Theologen gegenüber anderen Geisteswissenschaftlern im Vorteil: Viele dieser Einrichtungen haben einen kirchlichen Träger. Diese stellten bevorzugt Theologieabsolventen ein.
Schließlich arbeiteten Theologen im Bereich soziale Arbeit, im Verlagswesen oder in der Öffentlichkeitsarbeit. Sogar in Unternehmen und Unternehmensberatungen seien sie gerne gesehen: „Theologen sind psychologisch geschult. Ihnen wird eine große Sozialkompetenz nachgesagt.“ In Personalabteilungen sind sie daher gesucht.
In der evangelischen Theologie bleiben dagegen viele Absolventen in der Kirche. „Bei den Fakultäten sind derzeit rund 6500 Studenten für Lehramt eingeschrieben“, sagt Joachim Ochel von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Dazu kommen rund 5500 Studenten, die ausschließlich evangelische Theologie machen. Von ihnen denke fast die Hälfte ans Pfarramt, denn sie haben sich auf den Listen der Landeskirchen als Interessenten eingetragen.
Wer in den Pfarrdienst will, kann sich über ausgezeichnete Berufsperspektiven freuen. „Denn die evangelische Kirche hat ein Demografieproblem“, sagt Ochel. Viele der derzeit amtierenden Pfarrer gingen demnächst in Rente.
Obwohl sich Kämmerling eine Anstellung bei der Kirche nicht vorstellen kann, ist er mit seinem Studium dennoch sehr zufrieden. Die ersten Jahre seien zwar harter Tobak, weil es viel Mühe mache, die drei Sprachen zu erlernen. Doch danach sei das Studium verhältnismäßig entspannt. Und die Mühe lohne sich. „Wer Lust auf Nachdenken, Geschichte und Philosophie hat, für den ist Theologie das Richtige“, sagt er.