Wie werde ich...? Verfahrensmechaniker für Glastechnik
Zwiesel (dpa/tmn) - Glas ist überall, in jedem Haus, in jedem Auto. Handarbeit ist selten geworden. Verfahrensmechaniker für Glastechnik steuern und überwachen heute die Produktionsanlagen. Doch nicht nur mit Glas, auch mit Elektrotechnik kennen sie sich aus.
Schier endlose Reihen von bauchigen Weingläsern schlängeln sich über die Produktionsbänder, eines so perfekt gerundet wie das andere. Das sieht, wer sich im Internet die Unternehmensvideos der Firma Zwiesel Kristallglas anschaut. Auf vollautomatischen Fertigungsstraßen formen High-Tech-Maschinen im bayerischen Zwiesel Kelchgläser, Karaffen, und Vasen. Mehr als 60 Millionen Stück rollen pro Jahr von den Bändern. Für die Steuerung und Überwachung der Anlagen sind Verfahrensmechaniker für Glastechnik zuständig. Einer von ihnen ist Josef Kroner, Auszubildender im dritten Lehrjahr.
Der 20-Jährige, dessen Opa schon bei Zwiesel arbeitete, lernt unter anderem, wie die Produktionsanlagen programmiert und am Computer-Bildschirm überwacht werden. Er paukt, wie die Anlagen mit dem zähflüssigen Rohglas beschickt werden, wie sie mit Hilfe von Elektronik, Hydraulik (Flüssigkeit) oder Pneumatik (Druckluft) gesteuert werden und wie man die Maschinen wartet. Außerdem lernt er, was in der Qualitätskontrolle zu beachten ist. Kroner findet seine Lehrzeit sehr abwechslungsreich: „Man lernt die ganze Produktion kennen, von der Glasschmelze über die Formgebung und Nachbearbeitung bis zur Schlosserei, wo die Formen repariert werden.“
Glas ist aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Es wird verwendet für Fensterscheiben und Fernsehschirme, für Getränkeflaschen, Gurkengläser und Glühlampen, für Möbel, Spiegel und Haushaltswaren, für Ceran-Kochfelder und Solarmodule. Die Palette reicht von schusssicherem Panzerglas für Bankschalter bis hin zu feinsten geschliffenen Gläsern etwa für Brillen, Ferngläser und Mikroskope.
Entsprechend vielfältig sind die meist automatisierten Herstellungsprozesse. Ausgangsstoff ist stets eine bis zu 1600 Grad heiße Glasschmelze aus Quarzsand oder aufbereitetem Altglas, Soda, Kalk, Dolomit, Feldspat und Pottasche. Die Zusammensetzung variiert je nach dem, wofür das Glasprodukt gebraucht wird. Nach dem Schmelzen wird das flüssige Glas heruntergekühlt und in die gewünschte Form gebracht.
Bei der anschließenden Oberflächen-Veredelung wird aus einer transparenten Fensterscheibe mittels Sandstrahl Milchglas, Spiegel erhalten eine hauchdünn aufgetragene Silberschicht. Parfumflakons werden geschliffen, poliert oder graviert, Getränkeflaschen bedruckt.
Laut Statistik des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) ist der Verfahrensmechaniker mit dem Schwerpunkt Glastechnik mit jährlich nur knapp 130 neuen Azubis ein Nischenberuf. Für die rund 400 Glasproduzenten in Deutschland sei er jedoch einer der wichtigsten, sagt Sabine Schröder vom Bundesarbeitgeberverband (BAGV) Glas und Solar in München. „Immer mehr Glashersteller bilden in dieser Richtung aus.“ Leider gebe es nur wenig Interessenten: „Glas ist zwar allgegenwärtig, aber viele junge Leute kennen die Herstellerfirmen gar nicht.“
Das bestätigt auch Felix Dolejsch, technischer Ausbildungsleiter der Zwiesel Kristallglas AG. „Es ist durchweg schwierig, Leute zu finden.“ Das gilt erst recht für Frauen: Weibliche Azubis gibt es kaum.
Die Ausbildung zum Verfahrensmechaniker für Glastechnik dauert drei Jahre und ist aufgeteilt in Betrieb und Berufsschule. Nach der Ausbildung arbeiten die Facharbeiter in der Glasherstellung oder bei Glasrecycling-Betrieben. Nach einem Jahr Praxis ist auch die Weiterbildung zum Meister oder Glastechniker möglich. Azubis verdienen nach Angaben des BIBB im Schnitt 650 Euro im Monat: im ersten Lehrjahr etwa 590 Euro, im zweiten 650 und im dritten rund 730 Euro. Der Verdienst ist in Ost- und Westdeutschland annähernd gleich.
Ein Schulabschluss ist nicht Pflicht, jedoch erwarten die meisten Firmen mindestens einen Hauptschulabschluss. Die Qualifikation der heutigen Schulabgänger betrachtet Dolejsch mit Sorge. Vielen Bewerbern fehle grundlegendes Schulwissen in Mathe, Chemie und Physik. Sein Betrieb verpasst den Azubis deshalb erst mal Nachhilfe, drei bis vier Stunden täglich in den ersten drei Monaten.
Außer Spaß an Naturwissenschaften sind handwerkliches Geschick und räumliches Vorstellungsvermögen gefragt. Die größte Herausforderung sei, die Qualitätsvorgaben immer zu 100 Prozent zu erfüllen, sagt Dolejsch. „Manchmal muss man dafür die Maschineneinstellungen nur um Nuancen verändern. Zu erkennen, wann man eingreifen muss, ist eine Sache der Erfahrung, das lernen die Jungen von den Älteren.“
Wichtig sei auch ein gutes Auge, um fehlerhafte Gläser sofort zu erkennen, sagt Azubi Josef Kroner. Er hat längst einen besonderen Blick für Glas: „In Restaurants schaue ich immer, ob unsere Gläser auf den Tischen stehen“, erzählt er. „Meine Freundin schimpft dann immer, die nervt das schon.“