Urheberrecht Edle Speisen, alte Meister und Copyright
Darf ich ein Foto meines Essens ins Internet stellen? Darf ich Ablichtungen von Werken alter Meister frei verwenden oder können Museen das verhindern? Zwei besondere Fälle zum Urheberrecht.
Düsseldorf. Die Internetseiten heißen „Wir fotografieren unser Essen“ oder leicht schlüpfrig „Food Porn“. Mal geht es darum, dass Bewohner von Pflegeheimen die Qualität des Essens anprangern. Mal will man Freunde durch Posten eines Gerichts das Wasser im Munde zusammenlaufen lassen. Oder es wird die mangelnde Ästhetik einer im Flugzeug servierten Speise aufs Korn genommen, indem das Foto über What’s App, Snapchat und Co. in die Welt geschickt wird.
Derzeit wird an vielen Stellen im Netz darüber diskutiert, ob man da nicht Urheberrechte des Kochs verletzt. Stimmt das?
Christian Solmecke, Kölner Rechtsanwalt für Medienrecht, hat zwar einen solchen Fall in seiner Praxis noch nicht erlebt, denkt bei dem Thema aber sogleich an ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH): die „Geburtstagszugentscheidung“. Eine Spielwarendesignerin hatte in dem Fall einen Entwurf für einen Tisch-Holzzug erstellt. Dafür hatte sie ein Honorar erhalten. Als sich das Produkt gut verkaufte, verlangte sie — gestützt auf ihr Urheberrecht — noch eine weitere Vergütung. Zu Recht, wie der BGH urteilte und damit auch Werke der angewandten Kunst zum Schutzbereich des Urheberrechts zählte.
Wenn also eine Designerleistung Urheberrechtsschutz genießt — warum nicht auch die kunstvoll auf dem Teller angeordnete Speise? „Mag sein, dass das Essen eines Sternekochs unter Umständen Urheberrechtsschutz genießt“, sagt Anwalt Solmecke, der den Fall aber sogleich weiterdenkt und die Absurdität aufzeigt: „Darf der Gast dann das Essen auf dem Teller anders anordnen, um es zu fotografieren?“ Und darf er es überhaupt essen, wenn doch schon die Anordnung der Speisen urheberrechtlich geschützt ist? „Der Gast hätte dann nur eine Lizenz zum Aufessen“, scherzt Solmecke, der das Urheberrecht hier für kaum relevant hält.
Sehr wohl aber könne es sein, dass ein Restaurantbesitzer unter Berufung auf sein Hausrecht das Fotografieren verbietet. Etwa, um eine negative Bewertung und die damit verbundene Prangerwirkung zu verhindern. „Das kann er tun“, sagt Anwalt Solmecke, das Verbot müsse aber für jeden im Gastraum deutlich sichtbar sein. Die Frage ist für den Juristen dann aber, wie Verletzungen dieses Verbots geahndet werden können. „Das ist praktisch kaum durchsetzbar“, sagt Solmecke.
Den Versuch, Urheberrechte einzuklagen, gibt es derzeit aber in einem anderen Fall, der je nach Ausgang des Streits durchaus große praktische Auswirkungen haben könnte. Dabei geht es um diese Frage:
Ein Bild eines berühmten oder auch weniger berühmten Malers ist 70 Jahre nach dessen Tod gemeinfrei, also von jedermann frei verwendbar, weil das Urheberrecht erlischt (siehe Infokasten). So gesehen dürfte es keine Einwände dagegen geben, wenn jemand ein Foto dieses alten Bildes etwa in ein E-Book einbaut oder auf seiner Internetseite oder in sozialen Netzwerken veröffentlicht. Dagegen wäre auch nichts einzuwenden, wenn man das Foto von dem nicht mehr urheberrechtlich geschützten Bild selbst angefertigt hat. Was aber, wenn ein Museum das Fotografieren in seinen Räumen verbietet, man also nur dann an das Foto kommt, wenn man es vom Hausfotografen des Museums erwirbt? Oder aber nicht erwirbt, sondern einfach irgendwo kopiert und dann verwendet?
Eben dieser Streit wird derzeit ausgefochten. Die Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen gehen gegen Betreiber von Webseiten vor, die das Foto eines im Museumsbesitz befindlichen Gemäldes verwendet haben, das Richard Wagner darstellt. Dieses Foto hatte jemand auf der Plattform Wikimedia eingestellt. Allerdings war das Foto von dem Hausfotografen des Museums erstellt worden. Einer oder sogar mehrere Verwender dieser Ablichtung wurden abgemahnt. Es ist derzeit offen, wie weit der Streit durch die Gerichtsinstanzen getrieben wird und ob es am Ende zu einem höchstrichterlichen Urteil kommt, an dem sich dann alle orientieren können. Dies sind die Argumente, über die sich auch die Gerichte Gedanken machen müssen:
Argumente pro freie Verwendung: Wenn das Urheberecht abgelaufen ist, muss jeder das Kunstwerk verwenden können. Die Fotografie gibt das Bild nur so wieder, wie es war. Es ist keine eigene schöpferische Leistung. Würde man anders entscheiden, hätten Museen ein Monopol auf die Verbreitung gemeinfreier Gemälde. Durch ein Fotografierverbot im Museum können sie sich die Rechte an der Kunst sichern, die doch für jedermann frei verwertbar sein sollte. Die vom Gesetz gewollte Gemeinfreiheit eines alten Bildes wird ausgehebelt.
Argumente kontra freie Verwendung: Die Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim argumentieren, dass ihr Hausfotograf das Foto von dem Wagner-Gemälde gemacht hat. Durchaus mit viel Aufwand, Ausleuchtung etc. Wenn das Werk des Fotografen genutzt werden soll, bestehe man auf einem Mitspracherecht. Das Recht des Fotografen müsse auch im Internet gewahrt bleiben. Die Verwendung sei weiterhin für jedermann möglich, es falle für eine zeitlich unbegrenzte Nutzung einer Fotografie im Internet aber 250 Euro Gebühr an. Das Geld komme der Allgemeinheit zugute, weil damit der öffentliche Auftrag des Museums mitfinanziert werde.