Abstand zu negativen Gedanken gewinnen

Konstanz (dpa/tmn) - Viele Menschen kennen sie: scheinbar endlose Gedankenschleifen zu einem Thema. Manchmal sind sie hilfreich, manchmal können sie schaden. Fachleute raten deshalb, Gedanken nicht immer ernst zu nehmen.

Als die 42-jährige Frau sich abends ins Bett legt, geht es los mit der Grübelei: Hat sie sich bei der Betriebsfeier lange genug mit dem Chef unterhalten? Oder war sie kurz angebunden? Es dauert Stunden, bis sie endlich einschläft - eine Antwort auf ihre Fragen hat sie nicht gefunden. Solche nervenden und zermürbenden Gedankenschleifen kennen viele Menschen. Manchmal scheint es so, als finde man aus ihnen einfach nicht mehr heraus.

„Menschen haben eben einen Katastrophenverstand“, erklärt Andreas Knuf, Psychotherapeut in Konstanz. Und das ist im Prinzip gut so: Der Verstand versucht, aus der Vergangenheit zu lernen, um weitere bedrohliche Situationen zu vermeiden. Allerdings übertreibt er dabei manchmal maßlos und liebt das Drama: Da werden unbedeutende Situationen aufgebauscht oder ein schiefer Blick des Freundes als Anfang vom Ende der Beziehung interpretiert.

Das Grübeln darüber ist nicht nur lästig, sondern kann sogar schaden. Denn negative Gedankenschleifen sorgen für unangenehme Gefühle und körperliche Reaktionen wie Unruhe. Fachleute raten deshalb, nicht alles ernst zu nehmen, was einem so durch den Kopf geht. „Gedanken sind einfach nur Gedanken“, sagt Knuf. Sie müssen nicht wahr sein.

Es gilt daher, nützliche und unnütze Gedanken voneinander zu unterscheiden. Denn natürlich kann es sinnvoll sein, über Konflikte und schwierige Situationen über längere Zeit nachzudenken. „So entwickelt man eine Strategie für das Lösen eines Problems“, sagt Christa Roth-Sackenheim, Fachärztin für Psychiatrie in Andernach. Und manches braucht eben seine Zeit.

Die Psychologin Doris Wolf aus Mannheim wirbt in diesem Zusammenhang für gesundes Denken. „Das bedeutet, dass es der Situation angemessen ist“, erklärt sie. Vom sogenannten positiven Denken hält sie nichts. Es kann sogar schädlich sein und dazu führen, dass es dem Menschen schlechter geht als vorher. „Das kann sogar richtig krank machen“, ergänzt Roth-Sackenheim. Denn in vielen Ratgebern wird dem Leser mitgeteilt, er müsse nur richtig denken - dann gebe es keine Probleme mehr. Das Scheitern ist bei diesen unrealistischen Behauptungen programmiert.

Es sei viel sinnvoller, nicht die Gedanken, sondern den Umgang mit ihnen zu ändern. Als erster Schritt werden dabei die Gedanken nicht bekämpft, sondern bewusst wahrgenommen. Dann werden sie mit Distanz betrachtet und mit der Realität abgeglichen. „Es gibt junge Frauen, die große Angst davor haben, dass sie später niemand im Altersheim besuchen wird“, nennt Knuf ein Beispiel für eine Furcht, die mit Distanz betrachtet leicht als übertrieben erkennbar ist.

Knuf kennt mehrere Übungen, um auf Distanz zu seinen eigenen Gedanken zu gehen. So rät er etwa, sich wie bei einer Meditation hinzusetzen und die Gedanken einfach nur vorbeiziehen zu lassen. Außerdem sollte man sich den Gedanken als nachplappernden Papagei vorstellen — eine Diskussion ist unnötig.

Außerdem empfiehlt der Fachmann, öfters mal ein „aber“ durch ein „und“ zu ersetzen. Zum Beispiel, wenn man gerne bei einer Diskussion das Wort ergreifen würde, sich aber nicht traut. Hier macht der Satz „Ich möchte gerne was sagen und habe Angst“ die Sache etwas leichter.

Literatur:

- Andreas Knuf: Ruhe da oben! Der Weg zu einem gelassenen Geist. Arbor. 172 Seiten. 12,80 Euro, ISBN-13: 9783867810326
- Doris Wolf und Rolf Merkle: Gefühle verstehen, Probleme bewältigen: Eine Gebrauchsanleitung für Gefühle. Pal. 182 Seiten. 14,80 Euro, ISBN-13: 9783923614189