Auszug der Kinder verkraften: Tipps für Eltern
Heidelberg (dpa/tmn) - Für Eltern ist der Auszug der Kinder ein einschneidendes Ereignis. Sie müssen sich als Paar neu definieren und Gemeinsamkeiten ausloten. Nicht immer funktioniert das reibungslos.
Natürlich kommt der Moment nicht plötzlich, sondern kündigt sich an. Trotzdem empfinden es viele Eltern als einschneidendes Ereignis, wenn ihre Kinder das Haus verlassen und sie zu zweit zurückbleiben. „Das Trennungsrisiko bei Paaren steigt, wenn die Kinder ausziehen“, sagt der Soziologe Ingmar Rapp von der Universität Heidelberg. „Es steigt kurzfristig sogar auf ein höheres Niveau als bei Paaren, die nie Kinder hatten.“
Rapp hat mit Prof. Thomas Klein vom Heidelberger Institut für Soziologie die Stabilität von Paarbeziehungen in der zweiten Lebenshälfte untersucht. Die Wissenschaftler stützten sich dabei auf eine repräsentative Befragung von 10 000 Menschen in Deutschland. Die Daten zeigten: „Paare mit Kindern haben üblicherweise eine stabilere Beziehung. Mit dem Alter schwächt sich dieser Effekt aber ab.“
Über die Gründe, weshalb nach dem Wegzug der Kinder das Trennungsrisiko steigt, können Prof. Klein und Rapp bislang nur spekulieren. „Eine Möglichkeit ist, dass Kinder Trennungen nur aufschieben - sind sie nicht mehr da, fehlt der Grund, zusammenzubleiben“, sagt Rapp.
Die Entwicklungspsychologin Insa Fooken von der Universität Siegen hat späte Scheidungen erforscht. Sie sagt: „Schwierig wird es, wenn das Paar keine eigenen Rituale mehr hat, wenn nichts mehr da ist.“ Deshalb sollten sich Eltern früh überlegen: Was bewahren sie sich als Paar, was als autonome Person und was als Eltern? „Alle drei Bereiche sind wichtig“, sagt Fooken.
Auch der Familienpsychologe Joachim Lask aus Mühltal bei Darmstadt rät Paaren dazu, Gemeinsamkeiten zu pflegen. „Der Abnabelungsprozess der Kinder ist eine besondere Herausforderung, wenn man vorher nicht auch mal Zeit gemeinsam ohne die Kinder verbracht hat.“
Viele Eltern spürten die neue Freiheit. „Einige Frauen fangen im Job noch mal völlig neu an, wenn die Kinder aus dem Haus sind.“ Das bringt jedoch mitunter Konfliktpotenzial in die Beziehung. Denn nicht selten wünschen sich die Männer insgeheim, dass ihre Frauen endlich wieder mehr Zeit für sie haben.
Im Beratungs- und Bildungszentrum Raupe und Schmetterling in Berlin treffen sich „Frauen in der Lebensmitte“ zu Fortbildungen, Gymnastikkursen oder einfach nur zum Austausch. Die Pädagogin Angelika Mundt arbeitet dort und sagt: „Viele Frauen werden noch mal aktiv, wenn ihre Kinder aus dem Haus sind.“ Sie besuchten dann Kurse zum Thema „Wie mache ich mich selbstständig“, zum Wiedereinstieg in den Job oder zur beruflichen Neuorientierung.
„Das Selbstständig-Werden der Kinder passiert ja gleichzeitig mit Prozessen des Älterwerdens“, sagt Fooken. Manchmal komme auch der Übergang von der Arbeitswelt in den Ruhestand hinzu. Sowohl Frauen als auch Männer müssten sich neu im Leben definieren. Statt Familienernährer ist ein Vater dann nur noch Partner. Statt Familienmanagerin eine Mutter nur noch Ehefrau. Dass muss aber nicht zwangsläufig zu Problemen führen.