Chaos im Kinderzimmer: Eltern sollten cool bleiben

Berlin (dpa/tmn) - Das Bett ist seit Wochen ungemacht, der Wäschekorb quillt über: Unordnung im Kinderzimmer bringt Eltern oft zur Verzweiflung. Um Konflikte zu vermeiden, sollten Erwachsene lernen, das Chaos gelassen zu sehen.

Und bloß nicht selbst aufräumen.

Ein Blick ins Kinderzimmer bestätigt die schlimmsten Vermutungen: Auf dem Schreibtisch herrscht ein einziges Durcheinander, auf dem Boden türmen sich Klamottenberge, Essensreste und CDs. Angesichts solcher Szenen haben wohl schon alle Eltern einmal genervt gestöhnt: „Räum endlich dein Zimmer auf!“

„Das ist in allen Familien ein Thema“, bestätigt Andreas Engel, stellvertretender Vorsitzender der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung in Fürth. Eltern seien dabei aber nicht nur die Vertreter von Ordnung. „Beim Thema Zimmer aufräumen wird noch etwas angesprochen, was tiefer und über den reinen Sachverhalt des Aufräumens hinausgeht.“ Das seien zum Beispiel Aspekte wie „sich anpassen“ und „Gehorsam“. „Kinder und besonders Jugendliche stellen diese Ordnungsvorstellungen und was damit zusammenhängt jedoch in Frage.“

Hinzu kommt eine weitere Tücke. „Mit etwa zehn, elf Jahren beginnt die Pubertät, die Hormone verändern sich rasant und auch die Interessen der Kinder und Jugendlichen“, sagt Maria El-Safti-Jütte vom Elterntelefon in Berlin. Das führe unter anderem dazu, dass für Mädchen und Jungen viele Dinge eine andere Bedeutung bekommen als vorher.

Trotzdem können Eltern natürlich versuchen, die Jugendlichen zum Neuordnen ihres Zimmers zu bewegen. „Je früher man damit anfängt, desto mehr Erfolge hat man später“, sagt die Diplompsychologin Anni Braun, Mitglied beim Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen in Berlin. Wer schon seinem kleinen Kind zeige, wie das Aufräumen funktionieret und bei Erfolgen lobe, habe auch bei Älteren gute Chancen, dass es mit dem Ordnungssinn klappt.

Eltern sollten sich Prioritäten setzen, rät El-Safti-Jütte. Wer jeden Tag ein pikobello sauberes Zimmer erwartet, könnte schnell enttäuscht werden. „Man kann sich überlegen, was einem besonders wichtig ist.“ Das könnten zum Beispiel Aspekte sein wie „Essensreste müssen jeden Abend weggeschmissen werden“ oder „Schulsachen werden selbst sortiert“.

Ein fester Putztag kann ebenfalls helfen. „Man kann vereinbaren, dass einmal in der Woche an einem bestimmten Tag für eine gewisse Zeit aufgeräumt wird“, sagt Braun. Gut wäre, wenn man sich nach dem Aufräumen gemeinsam was Schönes gönnt, zum Beispiel ein Spiel spielen oder Eis essen - „etwas, was beiden gut tut. So wird Aufräumen positiv besetzt.“

Viele Eltern greifen gerne mal selbst ein, damit es so funktioniert, wie sie es gerne hätten. „Das ist aber nicht gut“, warnt Engel. Wenn die Mutter alles aufräumt, werde das Kind nie über die Spielzeugberge mitten im Zimmer stolpern - und sie aus eigenem Antrieb wegräumen.

Ebenfalls ungeeignet sind Ultimaten nach dem Motto „Wenn du bis dann und dann nicht aufgeräumt hast, schmeiße ich alles weg, was noch auf dem Boden liegt“. „Eltern müssen dann nicht nur wirklich ihre Drohung wahr machen und die teuren Dinge wegwerfen, sie beginnen auch einen offenen Machtkampf“, warnt Andreas Engel. Kinder würden so nämlich lernen, dass sich der Stärkere durchsetzt. „Das sollte aber nicht das Ziel der Aufräum-Debatte sein.“ Und den Lernprozess, den Jugendliche auf dem Weg zu Ordnung durchlaufen müssen, würde das nicht fördern.