Der natürlichste Freizeitpark: Mit Kindern den Wald erkunden
Zetel (dpa/tmn) - Ein Waldspaziergang am Wochenende - beim Nachwuchs löst dieser Vorschlag meistens keine Begeisterungsstürme aus. Wie langweilig! Können wir nicht lieber in den Freizeitpark? Der Wald hat zwar große Konkurrenz, aber kann Kindern und ihren Eltern einiges bieten.
„Das ist schon ein anderes Programm als der Freizeitpark“, sagt Försterin Wibeke Schmidt. Anders - aber nicht weniger spannend, davon ist sie überzeugt: „Kinder und auch Eltern werden im Wald auf einer sinnlicheren Ebene angesprochen.“ Schmidt leitet Erlebnisspaziergänge für Familien, erkundet den Wald mit Schülern oder geht mit ihren eigenen Kindern auf Entdeckungstour.
Am besten lassen sich die Kleinen begeistern, wenn auch die Großen mitmachen und bereit sind, die ausgetretenen Pfade zu verlassen - im buchstäblichen Sinne. „Einfach nur eine Strecke ablaufen, das ist für Kinder langweilig“, sagt Ute Schulte Ostermann vom Bundesverband der Natur- und Waldkindergärten. Für Eltern heißt das, sich auf ein gemächliches Tempo einzulassen und auch mal rechts oder links zu schauen, ganz nach dem Motto: Der Weg ist das Ziel. Am liebsten entdecken Kinder den Wald zusammen mit Geschwistern oder Freunden.
Außerhalb von Naturschutzgebieten oder anderen Schutzzonen dürfen Spaziergänger den Wald auch jenseits der Wege betreten. Hier gibt es viel zu entdecken: eine Spechthöhle oben im Baum oder die Trittspur eines Rehs in der noch feuchten Erde. Nach einem Regenschauer oder bei Schnee können Kinder und Eltern wunderbar auf Fährtensuche gehen. „Dazu gibt es im Handel leicht verständliche Bücher“, sagt Schmidt. Informationen rund um den Wald finden Eltern auch im Internet, beispielsweise auf der Seite vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft oder der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald. So können Erwachsene sich vor dem Ausflug schlaumachen oder altes Wissen auffrischen.
Aber der Wald lässt sich auch ohne vorherige Lektüre erkunden. Wer früher selbst viel draußen gespielt hat, kann an eigene Erlebnisse anknüpfen und den Kindern davon erzählen. Das kommt beim Nachwuchs meistens gut an. Vielleicht lässt sich jetzt gemeinsam ein Tipi aus Zweigen, ein Staudamm am kleinen Bach bauen? Oder man geht einfach los und achtet auf das Naheliegende: Welche Geräusche sind im Wald zu hören? Wie sehen die verschiedenen Blätter aus? Wie fühlt sich Baumrinde an? Mit verbundenen Augen können Kinder und Erwachsene die Rinde ertasten und später versuchen, den erfühlten Baum wiederzuerkennen. „Dafür braucht man keine Vorkenntnisse“, sagt Schmidt. „Und es ist vollkommen egal, wie der Baum heißt.“
Hören, Sehen, Fühlen und Schmecken: Der Wald spricht alle Sinne an. Im Frühling können Kinder vorsichtig die Knospen der Bäume ertasten, im Sommer und Herbst macht Beerensammeln Spaß. Wer sie direkt in den Mund pflückt, sollte aber darauf achten, dass die Früchte mindestens 20 Zentimeter, besser sogar einen Meter über dem Boden wachsen. Hängen sie tiefer, muss man sie vor dem Verzehr gründlich waschen - als Schutzmaßnahme vor dem Fuchsbandwurm.
Wenn doch einmal Langeweile aufkommt, helfen kleine Spiele wie dieses: Jeder sucht etwas Hartes, etwas Weiches, etwas Dunkles und etwas Helles. Nachher vergleichen alle ihre Fundstücke und nehmen die schönsten mit nach Hause. Auch wenn es nicht mehr vorwärts geht und beim Nachwuchs die Motivation nachlässt, helfen Spiele: „Ich versuche dann, die Kinder zum Laufen zu bringen“, sagt Schmidt. Kennen die Erwachsenen die Wegstrecke schon, können sie einen bestimmten Ort beschreiben, den die Kinder finden müssen, zum Beispiel: „Sucht eine Kurve mit einem Hochsitz.“ Auch das altbekannte Spiel „Ich sehe was, was du nicht siehst“ kann während des Gehens für Abwechslung sorgen.
Und wenn es am Wochenende regnet, das Wetter kalt und ungemütlich ist? „Man sollte bei jedem Wetter in den Wald gehen - und zu jeder Jahreszeit“, meint Schulte Ostermann. So erfahren die Kinder, wie sich der Wald im Laufe des Jahres verändert. Wie Blätter abfallen, sich Knospen bilden, aufbrechen.
Wer den Wald mit allen Sinnen erlebt, der bekommt eine Ahnung von seiner ökologischen Bedeutung, ist Anne Schnurpfeil von der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald überzeugt. „Kinder können hier ein Gefühl dafür bekommen, dass der Wald für uns eine wichtige Rolle spielt, auch was den Klimawandel angeht.“ So betrachtet ist der sonntägliche Ausflug ins Grüne nicht nur ein großer Spaß, sondern auch ein kleiner Beitrag zum Umweltschutz.
Literatur:
Niedersächsische Landesforsten: „Abenteuer Wald. Eine spannende Entdeckertour durch Niedersachsens Wälder für die ganze Familie“, Schluetersche GmbH & Co. KG Verlag und Druckerei, Hannover 2010, 14,95 Euro, ISBN-13: 9783899937428.