Durchs Raster gefallen - Auch Kinder können pflegebedürftig sein
Berlin (dpa/tmn) - Alt und krank heißt gleich pflegebedürftig. Was gelegentlich aus dem Blick gerät: Auch Kinder sind davon betroffen. Eltern stehen in dieser Situation häufig erstmal alleine da. Doch es gibt Hilfen, die sie in Anspruch nehmen können.
Pflegebedürftig - das sind vor allem Senioren. Dass diese Einschätzung nur zum Teil richtig ist, zeigen Zahlen des Statistischen Bundesamts. Rund 90 000 der 2,34 Millionen Leistungsempfänger der Pflegeversicherung waren Ende 2009 erst 20 Jahre und jünger. Mehr als 99 Prozent von ihnen werden zu Hause von den Eltern betreut. Diese stehen vor ganz anderen Problemen als Angehörige, die ältere Menschen pflegen.
„Die Hauptursachen der Pflegebedürftigkeit von Kindern sind angeborene Erkrankungen und Komplikationen bei der Geburt“, sagt Claudia Groth, Vorsitzende der Selbsthilfeorganisation Kinder Pflege Netz in Berlin. Nur selten, zum Beispiel bei einem Down-Syndrom, ist das bereits bei der Geburt erkennbar.
Steht die Diagnose fest, und die Eltern erfahren, dass ihr Kind ein Leben lang behindert und auf die Hilfe anderer angewiesen sein wird, ist das zunächst ein Schock. „In diesem Moment brauchen sie dringend psychologische oder seelsorgerische Hilfe“, sagt Christa Büker, Professorin für Pflegewissenschaft an der Hochschule München.
Die Betroffenen sind häufig - anders als Angehörige von Senioren - völlig unvorbereitet mit dieser Situation konfrontiert. Hinzu kommt: Viele Eltern wissen nicht, dass sie einen Anspruch auf Leistungen der Pflegeversicherung haben.
Am Anfang steht das Sammeln von Informationen an. Bei Kindern gebe es ein breites Spektrum von sehr unterschiedlichen Beeinträchtigungen, sagt Büker - zum Beispiel verschiedene Gendefekte. „Bei einer gleichzeitig vergleichsweise geringen Fallzahl bedeutet das: Jedes pflegebedürftige Kind ist ein spezifischer Einzelfall.“
Auf Einzelfälle, noch dazu im Kindesalter, sind Beratungsstellen und Pflegestützpunkte jedoch kaum vorbereitet. Eltern sind also auf sich gestellt. Die wenigen Experten unter Medizinern, Therapeuten und Pflegekräften zu finden, ist ebenfalls sehr schwierig. Das gilt auch für Schicksalsgenossen und Selbsthilfegruppen.
Der Pflegealltag bedeutet für die Eltern eine körperliche und seelische Dauerbelastung. „Oft besteht im Alltag ein anderer Versorgungsbedarf als bei einem älteren Pflegebedürftigen“, erklärt Büker. Laut Statistischem Bundesamt ist etwa jedes fünfte betroffene Kind in Pflegestufe III oder darüber eingestuft. Hinzu kommt, dass Eltern Therapien und Förderkurse organisieren müssen. Das kostet Zeit und erfordert meist weite Fahrwege.
Um diese Herausforderung zu meistern und auch noch Geschwisterkindern, der Paarbeziehung und dem Bekanntenkreis gerecht zu werden, brauchen die Pflegenden Entlastung. „Sehr hilfreich ist, einen Plan zu erstellen“, sagt Edith Heyde, Vorstand im Berufsverband Kinderkrankenpflege Deutschland in Hannover. „Eine ganz wichtige Rolle spielt dabei das eigene soziale Netzwerk aus Familie und Freunden.“
Darüber hinaus gibt es in regional sehr unterschiedlicher Form professionelle Hilfe, etwa durch familienunterstützende Dienste. „In Krankenhäusern oder bei sozialpädiatrischen Zentren kann man Kinderkrankenpflegedienste erfragen“, rät Heyde. Sie könnten stundenweise aushelfen.