Ehrlich sein und Alltag beibehalten: Familienleben mit Krebs
Düsseldorf (dpa/tmn) - Kinder reagieren oft mit besonders feinen Antennen auf Veränderungen in der Familie. Erkrankt ein Elternteil, müssen auch die Sorgen der Jüngsten Thema sein. Wer kann helfen?
Und wie viel sollten Kinder über die Krankheit wissen?
Wenn ein Elternteil an Krebs erkrankt, bringt das die Welt der Kinder ins Wanken. Die Eltern sind nach einer schlimmen Diagnose oft im Schockzustand und können nicht wie gewohnt auf ihre Kinder eingehen. Experten geben Ratschläge, wie Familien mit der Diagnose Krebs umgehen.
Welche Sorgen haben Kinder krebskranker Eltern?
„Fast alle Kinder sind mit der Frage beschäftigt, ob Papa oder Mama vielleicht an dieser Krankheit stirbt“, sagt Georg Romer, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie am Universitätsklinikum Münster. Wenn Kinder wenig über die medizinische Situation wissen, können auch belastende Eindrücke entstehen durch ausgefallene Haare, Quarantäne oder Kommentare von Gleichaltrigen auf dem Schulhof wie „An Krebs stirbt man!“.
Versuchen Eltern, die Krankheit zu verheimlichen, kann das die Situation noch verschlimmern, erläutert Gönna Wichmann, Psychoonkologin und Familientherapeutin der Krebsberatung Düsseldorf. „Durch Geheimnisse rund um die Erkrankung - auch wenn sie gut gemeint sind - fühlen Kinder sich ausgeschlossen aus der Familiengemeinschaft und verlieren an Vertrauen und Sicherheit.“
Welche Folgen können diese Sorgen mit sich bringen?
Fast alle Kinder zeigen sich tapfer - mit dem intuitiven Bedürfnis, die Eltern nicht zusätzlich zu belasten, sagt Romer. Bleiben sie mit ihrem Kummer allein, kann das zu Leistungsabfall in der Schule oder psychischen Beschwerden führen. Manche Kinder reagieren, in dem sie sich besonders folgsam und unauffällig verhalten, sagt Wichmann. „Die besondere emotionale Anspannung kann sich auch durch körperliche Beschwerden zeigen wie Schlafstörungen, häufige Bauch- und Kopfschmerzen oder Einnässen.“
Wie können Eltern ihren Kindern helfen?
Am wichtigsten ist es, offen mit den Kindern zu sprechen, sie an der Realität teilhaben zu lassen, sagt Kinderpsychiater Romer. Wie das geschehe, hänge vom Alter ab. „Fünfjährige wollen oft wissen, was sich im Alltag ändert. Wo Mama ist, wenn sie behandelt wird oder wer abends da ist, um das Kind ins Bett zu bringen.“ Zwölfjährige wollen die Krankheit verstehen, beispielsweise wie sie entsteht. Eltern sollten auch sagen, dass sie manchmal traurig sind und Angst haben - gleichzeitig erklären sie, was ihnen Mut macht und sie tröstet. „Das gibt den Kindern ein Modell der Stressbewältigung kindgerecht an die Hand“, rät Romer.
Wichmann empfiehlt, die Kinder im Alltag in kleine, altersentsprechende Aufgaben einzubeziehen. Dann bekommen sie das Gefühl, helfen zu können. Und: Eltern sollten ihre Kinder ruhig auffordern, das Leben trotzdem zu genießen, Freunde zu treffen, zu spielen und zu lachen.
Was können Freunde, Bekannte und Angehörige tun?
Wichtig ist es, „krebsfreie Zeiten“ zu schaffen. „Kinder brauchen die Erfahrung, dass keine Krankheit die Macht hat, das Leben komplett auszuhebeln“, sagt Romer. Schule und Hobbys sollten weitergehen, das sei auch für die Eltern entlastend. Hier könnten Freunde und Angehörige Unterstützung leisten. Zudem können sie konkrete Aufgaben im Alltag übernehmen und Gesprächspartner sein, ergänzt Wichmann.
Wo können Familien Hilfe suchen?
„Sie können sich bereits im Krankenhaus vom Sozialdienst beraten lassen“, sagt Wichmann. Wenn Kinder unter zwölf Jahren betreut werden müssen, bieten die Krankenkassen Familienpflege. Mitarbeiter von Krebsberatungsstellen begleiten Familien durch Gespräche. Außerdem werden spezielle Eltern-Kind-Kuren angeboten.