Ein gutes Selbstwertgefühl schützt vor Süchten
Hamburg (dpa/tmn) - Der Sohn stürzt auf Partys ab, die Tochter kifft mit Freunden. Um Kinder vor Süchten zu schützen, müssen Eltern früh aktiv werden. Dazu gehört zu vermitteln, wie man Konflikte löst.
Und auch ihr eigenes Trinkverhalten sollten Eltern beleuchten.
Alkohol macht locker, Kiffen entspannt: Viele Jugendliche konsumieren Drogen, um auf Partys mehr Spaß zu haben. Dahinter steckt häufig ein schwaches Selbstbewusstsein oder die Angst, nüchtern nicht lustig oder spannend genug zu sein. Suchtprävention beginnt deshalb in der Familie: Eltern können ihr Kind frühzeitig stärken und vor Süchten beschützen.
Wenn der Sohn zum ersten Mal betrunken nach Hause torkelt und die Tochter hinter der Garage raucht, beginnen Eltern sich zu sorgen: „Was haben wir falsch gemacht?“ Aus gut gemeinten Ratschlägen werden jetzt schnell Vorwürfe, es gibt Hausarrest oder Taschengeldentzug. „Mit Wut und einer Szene erreichen Eltern aber höchstens, dass der Jugendliche in Zukunft heimlich raucht oder trinkt“, warnt Theo Baumgärtner, Leiter des Büros für Suchtprävention der Hamburgischen Landestelle für Suchtfragen.
Die Angst vor Drogenmissbrauch beim eigenen Kind ist groß. Und berechtigt: Laut des Drogenberichts der Bundesregierung landen jedes Jahr rund 20 000 Kinder und Jugendliche wegen massiven Alkoholmissbrauchs im Krankenhaus. Dabei sind es längst nicht mehr nur „wilde Jungs“, die es übertreiben. In jüngster Zeit hat der Anteil der Mädchen deutlich zugelegt.
Alkoholmissbrauch bei Jugendlichen zieht sich quer durch die Geschlechter, auch ein Stadt- oder Landgefälle ist nicht erkennbar. „Jugendliche trinken vorrangig, um gute Stimmung zu bekommen und um ihre Schüchternheit abzubauen“, sagt Elisabeth Pott, Direktorin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA). Ähnlich lauten die Einstiegsgründe bei Zigaretten oder Cannabis: „Man will cool sein, dazugehören.“
Der Beginn ist oft schleichend. Erst wird probiert, später dann voll zugeschlagen. Die Abstürze erfolgen meist mitten in der Pubertät: „Die häufigsten Vollräusche mit Krankenhauseinlieferung haben Jugendliche zwischen 15 und 19 Jahren, wenn sie mit der Wirkung von Alkohol bewusst experimentieren“, sagt Pott.
Vor allem während der Pubertät sind Jugendliche verunsichert. Wie wirke ich auf das andere Geschlecht? Bin ich interessant? Ein paar Schnäpse oder ein Joint lassen Hemmungen verschwinden. „Der beste Schutz gegen Drogenmissbrauch ist deshalb ein starkes Selbstbewusstsein“, sagt Pott. Und das bekommen Kinder im Elternhaus. Von klein auf sollten Eltern versuchen, ihr Kind stark zu machen: „Untersuchungen zeigen, dass die frühen Entwicklungsphasen von großer Bedeutung sind.“ Zum einen gehört dazu das bedingungslose Gefühl von den Eltern geliebt zu werden. „Kinder sollten sich der Zuneigung ihrer Eltern immer sicher sein, egal welchen Mist sie gebaut haben“, sagt Baumgärtner.
Konflikte oder Probleme sollten gemeinsam gelöst werden: „Wenn Kinder von klein auf an lernen, dass es für alles eine Lösung gibt, müssen sie später das Suchtmittel nicht als Ventil wählen“, sagt Pott. Denn: Je stärker das Selbstwertgefühl und das Wissen, dass Enttäuschungen und Probleme gemeistert werden können, desto stärker ist auch die innere Sicherheit gegen Drogen.
Eltern sollten sich darüber klar werden, dass sie eine Vorbildrolle haben: „Wer seinem Kind zu Hause vorlebt, dass Bier, Wein oder Schnaps nach einem anstrengenden Arbeitstag entspannen, besetzt die Alkoholwirkung positiv.“ Mit diesem Vorbild im Gepäck würden die Kinder später zu den gleichen Strategien greifen.
„Viele Eltern verharmlosen das Problem“, warnt Mechthild Dyckmans, die Drogenbeauftragte der Bundesregierung. Auch Weingärtner glaubt, dass Eltern häufig selbst nicht wissen, wie gefährlich Alkoholmissbrauch bei Jugendlichen ist. „Wenn der Sohn betrunken nach Hause torkelt, wird das gerne als Kavaliersdelikt belächelt.“ Fakt ist: Bei erwachsenen Frauen gelten ein Glas Bier, bei Männern zwei Gläser Bier als maximale Trinkmenge pro Tag. „Jugendliche trinken zum Teil ein Vielfaches davon, das müssen sich Eltern bewusst machen“, sagt Pott.