Ein Tor zur Welt: Projekte gegen Einsamkeit im Alter
Koblenz (dpa/tmn) - Senioren allein daheim, kaum mobil und einsam? Das muss nicht sein, wie außergewöhnliche Seniorenprojekte zeigen. Bundesweit haben Ältere verschiedene Möglichkeiten, Neues zu lernen, in Erinnerungen zu schwelgen oder Ablenkung zu finden.
Als Eckhard Volquartz vor zehn Jahren den Verein „Maus Mobil“ in Koblenz gründete, hätte er nicht gedacht, dass die Idee, Senioren schulen Senioren am PC, so einschlagen würde. Heute bringen über 20 Trainer rund 130 Älteren unter anderem bei, wie sie mit dem Internet via Skype mit ihren oft mehreren hundert Kilometer entfernten Verwandten kommunizieren können, wie sie E-Mails schreiben oder sich in Chatrooms im Internet zurecht finden. „Für Senioren kann unsere Arbeit ein Tor zur Welt sein.“
140 Kilometer entfernt in Mühlheim an der Ruhr gibt es ein anderes außergewöhnliches Seniorenprojekt, das gegen die Einsamkeit hilft: Es nennt sich „Kultur im Koffer“. Gedacht ist es für ältere Menschen, die ohne Hilfe ihre Wohnung nicht mehr verlassen können. Damit sie nicht auf Kulturangebote verzichten müssen, kommen Schüler und Bürger zu ihnen mit einem Koffer, der allerhand Überraschungen enthält und Gesprächsstoff liefert: Fotos von fremden Ländern, Muscheln, getrockneter Lavendel, aber auch Gegenstände aus Gegenwart und Vergangenheit.
Entwickelt wurde das Projekt vom Evangelischen Zentrum für Quartiersentwicklung in Kooperation mit der Diakonie Rheinland-Westfalen Lippe, berichtet Diakonie-Mitarbeiter Christian Carls. Inzwischen sind die Kulturkoffer auch in andern Bundesländern unterwegs.
Senioren allein daheim, eingeschränkt mobil und doch nicht einsam - viele solcher ehrenamtlichen Projekte machen es möglich. „Durch Besuchsdienste und übers Internet können sich auch im hohen Alter neue soziale Kontakte bilden“ betont der Gerontologe und Psychologie-Prof. Andreas Kruse. Er ist Direktor am Institut für Gerontologie der Universität Heidelberg.
Ursua Lenz, Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO), ist überrascht, wie viele Initiativen es auch in den kleineren Kommunen gebe. Das sieht sie an den Flyern, die auf ihren Tisch flattern. Vor allem Besuchsdienste mit einem speziellen Thema, wie „Kultur im Koffer“ eröffneten die Chance, mit älteren Menschen ins Gespräch zu komme. „Sie vergessen so für ein paar Stunden ihre Krankheiten und Kümmernisse. Ausweinen und jammern muss sein, aber es tut auch mal gut, abgelenkt zu werden“, sagt Lenz.
Einen Draht nach außen bieten zum Beispiel sogenannte Wohlfühlanrufe für Senioren, etwa in Bremen. Beim Verein Ambulante Versorgungsbrücken gibt es diese im Abo für 35 Euro, dafür bekommen Ältere regelmäßig Anrufe. „Die Arbeit der Ehrenamtlichen ist kein Krisendienst, sondern eine Art Hausbesuch per Telefon“, erklärt die Vereinsvorsitzende Elsbeth Rütten.
Inzwischen bilden ältere Menschen auch neue Netzwerke im Internet, weil sie gemeinsam mit anderen etwas lernen wollen, obwohl sie durch Krankheit oder Pflege von Angehörigen ans Haus gebunden sind. Ein Beispiel ist das Vile-Netzwerk, gegründet vom Verein Virtuelles und reales Lern- und Kompetenz-Netzwerk älterer Erwachsener. Die Mitglieder tauschen sich bundesweit über Geschichte, Literatur, Musik, Reisen und vieles mehr aus. In regionalen Gruppen oder auf europäischen Tagungen trifft man sich vor Ort.
„Wenn Jüngere und Ältere sich gegenseitig befruchten, dann ist das von unschätzbarem Wert“, meint Kruse. Jede Form, bei der mehrere Generationen zusammentreffen, sei ein Gewinn.