Gemeinsam Leben: Beginenhöfe für Frauen

Bremen (dpa) - Irmtraut Suhr und Christa Schattauer leben wie viele Frauen in ihrem Alter allein. Doch die Rentnerinnen sind alles andere als einsam. Sie wohnen zusammen mit anderen alleinstehenden Frauen im Bremer Beginenhof, jede jedoch in ihrer eigenen Wohnung.

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Wie viel Gemeinschaft sie braucht, entscheidet jede für sich selbst. Freiwillig und selbstbestimmt soll das Zusammenleben sein. Männer braucht es dafür nicht.

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Beginenhöfe entstanden im Mittelalter überall in Europa. Dort lebten und arbeiteten Frauen, die sich Beginen nannten, zusammen - ohne Männer und nach ihren eigenen Regeln. Mitte der 1980er Jahre entwickelte sich in Deutschland eine neue Beginenbewegung, aus der später verschiedene Frauenwohnprojekte hervorgingen. Als Suhr und Schattauer 2001 in ihre Wohnungen zogen, gehörten sie noch zu den Vorreiterinnen. Inzwischen gibt es etwa 15 Beginenhöfe in Deutschland und zahlreiche Initiativen, die ebenfalls welche gründen wollen.

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Damals, als das Bremer Wohnprojekt langsam Formen annahm, herrschte eine riesige Aufbruchstimmung, erinnert sich Schattauer. „Wir hatten wunderbare Broschüren, in denen wunderbare Ideen standen. Es war die Rede von Wahlverwandtschaft, Omadiensten und Gemeinschaftsräumen“, sagt die 79-Jährige. Doch bald machte sich Ernüchterung breit. Manchen Frauen ging es mit der Gemeinschaft nicht schnell genug, andere fanden das Zusammenleben zu anstrengend. „Am Anfang sind viele wieder ausgestiegen“, sagt Suhr.

Als Fehler erwies sich vor allem, dass das Projekt mit 85 Wohnungen viel zu groß geplant war. Wie bei anderen Beginenhöfen auch war ein Verein Träger des Wohnprojekts. Genossenschaftsanteile und die Mieteinnahmen sollten den Bau finanzieren. Doch dann hätten Gewerbefläche im Erdgeschoss leer gestanden, erhoffte Fördergelder seien ausgeblieben, erläutert Schattauer. Das Projekt ging in die Insolvenz und wurde schließlich von einer Immobiliengesellschaft übernommen.

„Heute ist alles etwas pragmatischer“, sagt Suhr. Dazu gehört auch, dass leerstehende Wohnungen im Zweifelsfall auch an Ehepaare oder Männer vermietet werden - was in Beginenhöfen normalerweise nicht üblich ist. An der Gemeinschaft selbst beteiligen sich zurzeit 20 bis 30 Frauen aktiv, kommen zu den Versammlungen, treffen sich zu Spieleabenden oder zum Meditationssingen. Andere Bewohnerinnen lassen sich dagegen nie blicken. „Das ist aber auch okay“, findet die 80-Jährige.

Auch im Kölner Beginenhof, in dem seit fast zwei Jahren 27 Frauen wohnen, muss sich noch einiges zurecht ruckeln. „Dass es Konflikte gibt, das war uns bewusst. Wir sind ja alle sehr unterschiedlich“, sagt Christine Müthrath vom Vorstand. Doch es gibt auch einiges, das schon gut funktioniert: Die Frauen arbeiten zusammen im Garten, engagieren sich für Flüchtlinge, gehen ins Theater oder Kino - und wenn eine von ihnen krank wird, kann sie auf die Hilfe der anderen zählen. Das Interesse an dem Projekt ist auf jeden Fall groß - so groß, dass es nach Angaben von Müthrath inzwischen eine Initiative für einen zweiten Beginenhof gibt.

Der demografische Wandel, die große Zahl an Single-Haushalten und veränderte Familienstrukturen - Beginenhöfe sind nach Ansicht von Waltraud Pohlen vom Dachverband der Beginen eindeutig ein Konzept mit Zukunft. „Den Frauen wird immer mehr bewusst, dass man sich in der Gemeinschaft viel besser organisieren kann.“ Das gilt nicht nur für ältere Frauen wie Suhr und Schattauer, sondern vor allem auch für alleinerziehende, berufstätige Mütter. In Nordrhein-Westfalen - das als Hochburg der Beginenhöfe gilt - gebe es deshalb etliche Projekte, die sozial geförderte Wohnungen anbieten würden, sagt Pohlen.

Von ihrem Wohnzimmer aus blickt Suhr direkt auf die üppige Krone einer Zierkirsche. Als sie in die Wohnung einzog, war der Baum noch ganz klein. Inzwischen reicht er bis zu ihrem Balkon. Auch die Gemeinschaft im Bremer Beginenhof musste über die Jahre wachsen. Wie es mit dem Projekt weitergeht, wenn die Gründergeneration abtritt, muss sich zeigen. „Es ist so weit, dass ein Generationswechsel kommen müsste“, meint Suhr. Doch erzwingen lasse sich sowas nicht. „Das muss sich entwickeln“. Wie bei ihr und ihren Mitstreiterinnen eben auch.