Gesang, Konsum und Emotionen - Weihnachtliches hinterfragt

Berlin (dpa) - Weihnachtslieder trällern macht glücklich - was wiederum zu mehr Einkäufen verleiten kann. Forscher aller Fachbereiche beschäftigen sich mit Weihnachten. Aus Sicht von Psychologen besonders wichtig: keine überhöhten Erwartungen haben.

Viele Kinder zählen sehnsüchtig die letzten Tage: Bald ist Weihnachten. Warum hat das Warten viel Gutes und warum steigen Aktienkurse vor Weihnachten? Wissenswertes zum Fest:

„Last Christmas“ oder warum singen gesund ist

Schon im November geht nichts mehr ohne „Last Christmas“ oder „Do they know it's Christmas“ - wer lauthals mitsingt, lebt gesünder. „Wir versetzen uns damit schon rein körperlich in einen Zustand, der viel stärker mit positiven als mit negativen Gefühlen und Erinnerungen verbunden ist“, erklärt der Musikwissenschaftler Gunter Kreutz von der Universität Oldenburg. „Dazu kommt natürlich die Gemeinschaft mit anderen Menschen.“

Warum Jungs auch mit Puppen spielen sollten

Jetzt in der Weihnachtszeit fällt es besonders auf: In den Spielzeugabteilungen sind die Rollen klar verteilt. Zarte Elfen mit pinken Haaren auf der einen, grüne Werkbänke mit Sägen aus Plastik auf der anderen Seite. Anders als es die gesellschaftliche Entwicklung vermuten lasse, setzten Hersteller heutzutage stärker als früher auf geschlechtstypische Spielsachen, erklärt die Psychologin Bettina Hannover. Dies sei aber ein Weg, über den Kinder soziale Geschlechtsrollen erlernten.

„Je mehr Kinder in ihrer Umwelt mit geschlechtstypisierten Spiel- oder Lernsachen konfrontiert werden, desto eher schlussfolgern sie, dass Mädchen und Jungen verschieden sind, zum Beispiel mit unterschiedlichen Dingen spielen oder unterschiedliche Dinge lernen wollen.“ Sich dem zu widersetzen, sei für kleine Kinder schwer, erklärt Hannover. „Weil sie fürchten, von Gleichaltrigen ausgelacht und ausgestoßen zu werden.“

Dreimal werden wir noch wach... - Warum warten gut ist

Gefühlt ist Weihnachten für Kinder das wichtigste Ereignis im Jahr. „Vorfreude ist etwas ganz Tolles, etwas Wichtiges, aus dem Kinder auch viel lernen können“, sagt die Psychologin Bettina Hannover. Ein inzwischen vielfach nachgeahmtes Experiment zeigte, dass Kinder später mehr Leistung, Konzentrationsfähigkeit und Effektivität zeigen, wenn sie im Alter von etwa vier Jahren zugunsten einer weiteren Süßigkeit einer ersten für einige Minuten widerstehen können. „Kinder, die gelernt haben, Belohnungen aufzuschieben, sind auf vielfältige Weise für das Leben gewappnet“, sagt Hannover. „Und Weihnachten ist etwas, was Eltern wunderbar inszenieren können, um Kindern diesen Belohnungsaufschub beizubringen.“

Woher der Stress kommt

Die meisten Menschen haben ein Bedürfnis nach einer harmonischen Weihnacht. Peter Walschburger, emeritierter Professor für Biopsychologie an der Freien Universität Berlin, erklärt das so: „Das Fest hat sich als ein besonders ausgeprägtes gemeinschaftsstiftendes Ritual etabliert. Es verändert unseren profanen Alltag hin zu einer sakralen Grunderfahrung.“ Oft prallten dabei überhöhte Erwartungen aufeinander, Konflikte und Stress seien die Folge.

„Immer mehr Menschen erleben Weihnachten leider auch wie eine Störung in ihrem mehr und mehr durchrationalisierten Alltag“, so der Psychologe. „Sie sehen nicht, wie sie die Zeit aufbringen können, um den hohen Erwartungen - seien es die eigenen oder die der anderen - zu genügen.“ Sein Rat: „Vor allem sollte man die eigenen Erwartungen auf ein realistisches Maß reduzieren und sich einfach freuen auf die gute Gelegenheit, die Freunde oder die Familie wiederzusehen.“

Warum manche Ökonomen das Fest nicht mögen

Weihnachten ist gut für's Geschäft - so der landläufige Eindruck. Der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE) erwartet in diesem Jahr einen Umsatz von 85 Milliarden Euro. Irrer Verschwendung und gigantischem volkswirtschaftlichen Verlust müsse endlich Einhalt geboten werden, fordert jedoch der Wirtschaftswissenschaftler Joel Waldfogel in seinem Buch „Warum Sie diesmal wirklich keine Weihnachtsgeschenke kaufen sollten“.

„Angenommen, Ihre Oma schenkt Ihnen zu Weihnachten einen scheußlichen Pullover für 50 Euro, den Sie niemals tragen würden. Dann ist Ihre Wertschätzung für diesen gleich Null“, erklärt Ökonomieprofessorin Anna Goeddeke. Wirtschaftswissenschaftler bezeichnen das als Verlust von Wohlfahrt. „Denn Sie oder Ihre Oma hätten ja diese 50 Euro nehmen und davon etwas Sinnvolles kaufen können.“

Einen Vorweihnachtseffekt gibt es bei Aktien, wie die Reutlinger Ökonomieprofessorin Anna Goeddeke erklärt: Die Kurse steigen. „Gerade vor Weihnachten verhalten sich Menschen vielleicht nicht immer sehr rational und kaufen Aktien, weil sie positiv gestimmt sind.“ Studien hätten ergeben, dass Menschen mehr kaufen, wenn sie glücklicher sind.

Alle Jahre wieder: Die Suche nach dem richtigen Geschenk

All die Mühe, all die Hektik, um noch schnell alle Geschenke zu bekommen. Schätzen die Beschenkten den Wert der Gabe überhaupt richtig? Die Ökonomen Thomas Bauer und Christoph Schmidt vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) befragten mehr als 500 Studenten der Ruhr-Universität Bochum. Das Ergebnis: Hätten sie es selbst kaufen müssen, hätten die meisten Befragten für das Geschenk weniger Geld ausgegeben - im Schnitt elf Prozent. Aber: Zielte der Test stattdessen darauf ab, dass jemand ihnen das Geschenk abkaufen sollte, verlangten die Studienteilnehmer einen deutlich höheren Preis.

Der Soziologe Holger Schwaiger hält ohnehin wenig von solchen Bewertungen. „Ökonomen machen eine Rechnung auf, die nach dem Prinzip verläuft: Ich gebe etwas und in der Schenktradition bekomme ich etwas zurück“, sagt er. „Das rechne ich gegeneinander auf und so setzt sich eine Art von Spirale in Gang.“ Geschenke seien in dieser Theorie eine Art Währung. Aus sozialer Sicht spiele ihr materieller Wert aber keine Rolle. „Es geht um Emotionen, Schenken ist eine Form von sozialer Kommunikation.“ Damit die gelinge, müsse man sich Gedanken machen.