Herzrasen für den besten Freund: Gefühle verdrängen bringt nichts
Mainz (dpa/tmn) - Gemeinsam fährt man an den See oder zum Konzert und redet sich die Köpfe heiß. Plötzlich wird aus den freundschaftlichen Treffen mehr: Man ist verliebt. Das kann wunderschön sein.
Aber wenn aus der Liebe nichts wird, steht die Freundschaft auf dem Spiel.
Sie hat Flugzeuge im Bauch und er geht ihr nicht mehr aus dem Kopf. Rebecca ist verliebt in ihren guten Kumpel. Aber er ahnt nichts davon. Im Club feixen sie, wer auf der Tanzfläche wohl gut zum anderen passen würde. Dabei denkt sie: „Du bist es, du passt am besten zu mir.“ Sie will mehr von ihm, aber die Angst ist groß: Wird die Liebe nicht erwidert, ist die Freundschaft in Gefahr.
Dem besten Freund geradeheraus zu sagen, dass man sich in ihn verliebt hat, ist schwer. Die 19-jährige Rebecca hat ihm einen Brief geschrieben - und dann nichts mehr gehört. Ein anderes Beispiel: Martin und Mascha haben zusammen studiert und sind über den Sommer zusammen gezogen. Verliebtsein war kein Thema. Bis zu der Nacht in der Disco, als Martin der 26-Jährigen einen Moment zu lange zärtlich übers Haar strich.
Ein Brief, ein Gespräch oder doch lieber vielsagende Gesten? Ein Patentrezept, seine Gefühle zu gestehen, gibt es nicht. Eva Klein empfiehlt, sich heranzupirschen: „Ein guter Weg ist es, dem anderen immer mehr zu zeigen, wie gern man mit ihm zusammen ist“, sagt die Jugend- und Kommunikationsberaterin in Mainz. „Das können kleine Gesten sein, die mehr Intimität schaffen oder die Einladung, ohne die Freundesclique ins Kino zu gehen.“
Für andere sei ein direktes Gespräch das Richtige. Der Vorteil: Man bekommt schnell Klarheit. Aber: Man riskiert ein klares Nein. Für den Fall sollte man sich ausmalen, wie man reagiert, wenn der andere ablehnt. „Dann ist es gut, wenn man cool bleibt und sich sagt: "Okay, damit kann ich leben".“
Rebecca hat es hart getroffen: Sie war wütend, verletzt und enttäuscht, als ihr Kumpel abgetaucht ist. Das ist nicht ungewöhnlich: „Auch für den, der sich nicht verliebt hat, wird es schwierig. Er will keine falschen Signale geben und den anderen nicht verletzen“, sagt Melanie Kieback, Psychotherapeutin für Kinder und Jugendliche im Evangelischen Beratungszentrum in Hannover.
Gelingt die Liebesbeziehung, ist sie oft eine sehr gute: „Es sind meist tiefe, reife Beziehungen, weil man den anderen so gut kennt“, sagt Kieback. Man hat so gut wie keine Geheimnisse mehr voreinander, aber das muss der Beziehung nicht schaden. Selbst wenn man schon im Sandkasten befreundet war, entdecke man den anderen neu, sobald Erotisches und Sexualität hinzukommen.
Auch im Freundeskreis ändert sich vieles. Vor allem sollten junge Leute trotz Beziehung die Freundschaften pflegen. „Manche Freunde freuen sich, weil sie geahnt haben, dass die beiden gut zueinanderpassen“, sagt Kieback. „Andere haben sich vielleicht selbst in einen der beiden verliebt und sind eifersüchtig. Dann kann für das Paar ein böses Erwachen kommen.“ Mit Eifersucht und Lästereien sollte man offen umgehen. Eva Klein rät: „Zwei oder drei klare Sätze können reichen. Vor allem sollte man die anderen nicht persönlich angreifen, sondern ihnen deutlich machen, dass man es nicht gut findet, wie sie darüber reden.“
Scheitert die Liebesbeziehung, bleibt meist auch die Freundschaft auf der Strecke. Vorerst. Traurigkeit, Enttäuschung und Unbeholfenheit verdrängen die alte Vertrautheit. Ein starker Freundeskreis kann einen dann gut auffangen, sagt Jörg Müller, Theologe und Leiter der Erziehungsberatung der Caritas in Erfurt. Er empfiehlt, sich Zeit zu nehmen. „Jeder Verlust braucht eine Weile, ihn zu betrauern. Man sollte sich nicht gleich in die nächste Beziehung stürzen, sondern der vergangenen erst einmal nachspüren.“
Erst dann sei man bereit, sich wieder auf etwas Neues zu konzentrieren. Und die alte Freundschaft zurückzugewinnen. Dies gelinge jedoch nur, wenn beide das Gleiche erwarten. „Ist einer von beiden noch verliebt und hofft darauf, wieder als Paar zusammenzukommen, ist es zum Schutz vor Enttäuschungen besser, den Kontakt ganz zu beenden“, sagt Melanie Kieback.
Rebecca hat ihren Freund nach einer Weile angerufen und um ein Gespräch gebeten. Sie wollte wissen, warum er nach ihrem Brief den Kontakt abgebrochen hat. „Er hat sich entschuldigt und sich dann mächtig ins Zeug gelegt, um unsere alte Freundschaft wieder zu beleben“, erzählt sie. Mit Erfolg: Ihre Beziehung ist intensiver geworden. „Wäre ich heute nochmals in der Situation, würde ich schneller aus der Kumpelrolle rauswollen. Die macht unglücklich, wenn man verliebt ist“, sagt Rebecca.
Mascha und Martin sind heute verheiratet. „Ich muss bei Martin keine Rolle spielen, er kennt alle Seiten von mir“, sagt sie. Damit die Beziehung lange hält, reiche aber die große Vertrautheit nicht. „Es muss prickeln. Zum Glück passt bei uns beides.“