Hilfe für Betroffene: Wenn der Partner psychisch krank ist

München (dpa/tmn) - „Ich war schon beim Scheidungsanwalt“ - Karl Heinz Möhrmann aus München erinnert sich noch gut, wie er es einfach nicht begreifen konnte. Warum reagierte seine Frau plötzlich so voller Aggression auf ihn?

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Bis er erfuhr, dass eine bipolare Störung, dafür verantwortlich war.

Er zog den Scheidungsantrag zurück, begleitet seitdem seine Frau durch das Auf und Ab der Erkrankung - und gibt seine Erfahrungen im Bundesverband der Angehörigen psychisch Kranker an andere Betroffene weiter.

„Angehörige fragen sich oft, ob sie schuld sind, wenn der Partner zum Beispiel an einer Depression erkrankt“, sagt Professor Ulrich Hegerl, Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Leipzig und Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe. Gleichzeitig melden sich Zweifel: Könnte er nicht einfach mal die Zähne zusammenbeißen?

Warum lässt sie sich so hängen? Solche Fragen seien typisch, sagt Hegerl, ebenso die Hoffnung, durch Fürsorge dem Partner wieder auf die Beine zu helfen. „Man glaubt, mit Liebe heilen zu können. Aber das funktioniert nicht. Es geht nicht ohne ärztliche Behandlung“, sagt Hegerl.

Geht es um die Behandlung, fühlen sich viele Angehörige ausgegrenzt, ist die Erfahrung von Karl Heinz Möhrmann. Er plädiert dafür, die Partner so weit wie möglich in die Therapie einzubeziehen. Sie müssen Symptome lesen und einordnen können, müssen Geduld haben und Grenzen setzen: Muss wirklich die ganze Wohnung verdunkelt sein, weil die an einer Depression erkrankte Ehefrau kein Tageslicht erträgt? Oder lässt sich nicht doch ein Kompromiss finden, der den Bedürfnissen beider Partner gerecht wird?

Dafür müssen beide miteinander sprechen - aber auch das funktioniert vielleicht nicht mehr so wie vor der Erkrankung. Je klarer die Aussagen sind, umso besser werden sie verstanden. Sehr problematisch dagegen sind „doppelte Botschaften“, sagt Manfred Ziepert, niedergelassener Psychiater und Psychotherapeut in Jena und langjähriger Chefarzt am Landesfachkrankenhaus Stadtroda.

„Mit Worten sage ich, „es ist schon alles so in Ordnung, du bist ja krank und kannst nichts dafür“ - und meine Augen, meine Gesichtszüge sagen: „Ich kann einfach nicht mehr, ich bin nur noch zornig und verzweifelt“.“

In der Beziehung zu einem psychisch kranken Menschen gehe es um Liebe und Abgrenzung, betont Ziepert: „Die meisten zerstörten Ehen und Familien mit einem psychisch kranken Familienmitglied, die ich kenne, sind dadurch zerbrochen, dass die Angehörigen das Elend zu lange aushalten mussten - oder glaubten, es aushalten zu müssen.“ Nur wer auch auf sich selbst achtet, sich schöne Erlebnisse gönnt, bleibe stark genug für den anstrengenden Alltag.

Freunde ziehen sich in solchen Situationen oft zurück, Nachbarn reagieren ablehnend, Kollegen tuscheln: Auch das gehört zu den Erfahrungen, die Partner von psychisch Kranken machen. „Im Gespräch ist ganz schnell Funkstille, wenn man das Thema anspricht“, erzählt Karl Heinz Möhrmann.

„Sie können mit anderen Menschen stundenlang über Fußball oder Autos reden, aber nicht über psychische Krankheiten.“ Für den Münchner war das ein wichtiger Grund, sich in der Selbsthilfe zu engagieren. Für viele Partner psychisch Kranker sei es ein Aha-Erlebnis, wenn sie erleben, dass es andere Menschen mit ähnlichen Sorgen gibt.