Ich trage nur, was mir gefällt
Für Jugendliche kann Mode schon mal in großen Stress ausarten. Soziologin Alexandra König nahm unter die Lupe, was sie anziehen – und schrieb ein Buch darüber.
Düsseldorf. Frau Dr. König, wonach entscheiden Jugendliche, wie sie sich anziehen wollen?König: Auf diese Frage habe ich meistens die Antwort bekommen: "Ich trage nur das, was mir gefällt und was zu mir passt." Insbesondere an der Schwelle vom Kind zum Jugendlichen soll und will gezeigt werden, wer man ist und wie man ist. Damit scheint zunächst mal alles geklärt zu sein. Aber wenn es um konkrete Situationen ging, stellte sich schnell heraus: Der eigene Geschmack ist ein soziales Phänomen. Was heißt das?König: Der eigene Geschmack ist nicht - wie man erwartet - eine rein persönliche Eigenschaft, sondern entsteht im Kontakt mit anderen. Besonders beim Wechsel auf eine weiterführende Schule beobachten Jugendliche sich gegenseitig genau, sie beraten sich, sie lästern und kritisieren. Am allerschlimmsten ist es, wenn man dann immer noch so angezogen ist, als hätte einen die Mutter eingekleidet. "Ich trag’ nur, was mir gefällt" ist deshalb eine soziale Erwartung an die Jugendlichen. Man ist regelrecht gefordert, einen eigenen Stil zu finden - und das macht man, indem man sich an den anderen orientiert. Dabei ist es komplett verpönt, die beste Freundin einfach nur zu kopieren. Die Unterschiede sind fein, aber wichtig! Das hört sich nach Stress an . . .König: Jugendliche, die mit wenig Ressourcen ausgestattet sind, das heißt, die finanziell eingeschränkt sind, die nicht wissen, was modisch ist, oder denen die Freunde zum Austausch fehlen, für die bedeutet die Auswahl der Kleidung häufig Stress. Diese Jugendlichen sind sehr bemüht und besorgt um ihr Äußeres, die Mode selbst macht ihnen nur wenig Spaß. Warum fällt so oft die Entscheidung für bauchfreie T-Shirts oder Hosen, die extra tief hängen?König: Bei bauchfreien Oberteilen oder Miniröcken geht es den meisten jungen Mädchen erstmal gar nicht um die erotische Wirkung. Die Kleidung soll den anderen vielmehr ganz deutlich machen: Das hier hat auf keinen Fall meine Mutter ausgesucht - ich entscheide ganz souverän selbst über mein Aussehen. Gleiches gilt für die tief hängenden Hosen bei Jungen. Wie sehen die typischen Jugendlichen zurzeit aus?König: Es ist ganz wichtig, sich als Junge oder Mädchen zu präsentieren. Jungs lehnen für sich figurbetonte Kleidung ab, Mädchen hingegen sollten keine weiten Hosen tragen. Dabei dürfen Jungs nicht unbedingt zugeben, dass sie sich so mit Mode beschäftigen. Kleidung ist ein Thema, das Mädchen deutlicher und gemeinsam inszenieren dürfen. Gibt es eindeutig "jugendliche" Kleidung?König: Es gibt ganz klar eine Altersstrukturierung. Es gibt die Abgrenzung von der kindlichen Kleidung. Und es fällt auf, wenn ein Mädchen schon mit vierzehn Jahren Nobelmarken wie Gucci trägt. Da wird dann gefragt: Was willst du denn tragen, wenn du erwachsen bist? Kritik gab es bei meinen Befragungen auch an Lehrern, die sich in den Augen der Jugendlichen zu modern angezogen hatten. Die Jugendlichen hegen nämlich den Anspruch, dass Mode hauptsächlich ein Thema für Jugendliche ist. Wie lange geht dieser Stress mit der Kleidung?König: Bei den älteren Schülern wird Kleidung irgendwann nicht mehr so sehr gemeinsam verhandelt. Man weiß, was man in der Schule tragen kann, man weiß, was die anderen tragen, man hat seinen eigenen Stil vielleicht gefunden. Aber eines bleibt das ganze Leben über: Wenn man eine neue Bühne betritt, wird die Kleidungsfrage wieder zentraler. Kleidung wird nie unwichtiger, aber man weiß einfach besser, wie es funktioniert.
Soziologin Dr. Alexandra König ist Autorin des Buches "Kleider schaffen Ordnung" (UVK, 329 Seiten, 34 Euro). (Foto: privat) |