Ist die Familie noch zu retten? Wirtschaftskraft kann helfen
Wiesbaden (dpa) - Demografiegipfel und Parteienstreit um die beste Familienförderung: Familien gibt es immer weniger. Am ehesten noch in wirtschaftlich starken Regionen. Denn Familien brauchen Zukunft.
Wo die Wirtschaft gut läuft, werden Familien gegründet. Anderswo dominieren Singles, kinderlose Paare und Rentner - sie sind in Deutschland insgesamt schon in der Mehrheit. Und das werde so weitergehen, schon wegen der dramatisch sinkenden Geburtenzahlen. Zwar wünschten sich die meisten Jugendlichen nach wie vor die klassische Familie mit Kindern, aber die Zahl der Familien werde weiter sinken, sagt Ulrich Schneider, Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtverbandes. „Das ist unausweichlich, mehr Zuzug wäre der einzige Ausweg.“ Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte Zuwanderung auf dem jüngsten Demografiegipfel als Mittel gegen die Überalterung der Gesellschaft genannt.
Rund 8,1 Millionen Familien mit mindestens einem minderjährigen Kind lebten 2011 in Deutschland, über eine Million weniger als zehn Jahre zuvor. Und es dominiert die Ein-Kind-Familie: 53,3 Prozent der Familien haben nur einen Sprößling, vor zehn Jahren lag dieser Anteil noch bei knapp 51 Prozent.
Aber nicht überall gebe es nur Rückgang, sondern die Familien verteilten sich nur anders, sagt Schneider. Während in manchen Ballungsgebieten die Zahl der Familien sogar steige, gebe es anderswo einen starken Abwärtstrend - abhängig vom Arbeitsplatzangebot.
Die am Mittwoch (15. Mai) veröffentlichten Zahlen des Statistischen Bundesamt bestätigen das. Am höchsten ist der Anteil der Einwohner, die in Familien leben, in Baden-Württemberg, Bayern und Hessen - den Ländern also, die als einzige in den Länderfinanzausgleich einzahlen. Dort sprudeln die Steuern, die Wirtschaft brummt. Zwar sinkt selbst dort der Anteil der Familien, er liegt aber immer noch bei knapp über 50 Prozent. In den östlichen Bundesländern leben nur noch 42 Prozent der Menschen in Familien. Unter Familie verstehen Statistiker Paare, Lebensgemeinschaften oder Alleinerziehende, die mit Kindern zusammenleben.
„Die Menschen gehen dorthin, wo Arbeitsplätze sind und sie Perspektiven für sich und ihre Kinder sehen“, sagt Schneider. „Zurück bleiben die Alten.“ Der Osten Deutschlands leide stark unter dieser Abwanderung, und im Ruhrgebiet gebe es erste Anzeichen für eine ähnliche Entwicklung. „Im Norden des größten deutschen Ballungsraums machen sich Perspektivlosigkeit und Armut breit - ganze Stadtviertel verwahrlosen, die Kommunen sind überschuldet. Wenn aber junge Leute und Familien wegziehen, siedelt sich auch die Wirtschaft nicht an oder wandert sogar ab, Steuereinnahmen fehlen für Infrastruktur“, sagt der Sozialexperte. „Es kommt eine Spirale nach unten in Gang.“
Umgekehrt gebe es eine „Spirale nach oben“ in den prosperierenden Regionen wie Hessen, Baden-Württemberg und Bayern: Dorthin gingen junge Leute, um sich ausbilden zu lassen. Und dort ist auch Arbeit zu finden. Also bleiben viele und gründen Familien. „Was Familien brauchen, ist Zukunft und Sicherheit. Kindergeld allein reicht nicht“, sagt Schneider. Kehrseite: In den attraktiven Städten steigen die Mieten, bezahlbare Wohnungen sind Mangelware. Frankfurt beispielsweise, dessen Einwohnerzahl kürzlich die 700 000 überschritt, hält an der nördlichen Stadtgrenze Ausschau nach Platz für neue Wohngebiete.