Kitastreiks beginnen: Leih-Omas und Plan B gefragt
Köln (dpa) - Es geht los. Unbefristete Streiks in den kommunalen Kitas. Für Hunderttausende Familien in Deutschland sind nun starke Nerven gefragt und Plan B muss in Gang kommen. Diesmal könnte der Nachwuchs über Wochen vor verschlossenen Türen stehen.
Von Freitag (8. Mai) an müssen sich Eltern auf unbefristete Streiks in kommunalen Kindertagesstätten einstellen. Ausnahmen wird es in Köln, Dortmund und Düsseldorf geben. Dort beginnt der Streik erst von Montag an.
„Erst war es ein Schock mich, jetzt haben wir ein Alternativprogramm entwickelt, mit dem wir uns von Tag zu Tag durchhangeln“, schildert Christine Jackson, Mutter von drei Jungs.
„Meine Chefin lässt mich Computerarbeiten zu Hause machen. Mein Mann darf zwischendurch mal einen Home-Office-Tag einlegen. Und wir haben Oma und Freunde mobilisiert“, erzählt die Kölnerin, die im Einkauf arbeitet. „Es wird eine spannende Kombination aus allem.“ Eine Notgruppe für ihren jüngsten Sohn Dylan (3) gibt es nicht.
Madelenie Naujoks aus Münster hat Glück mit dem Arbeitgeber: „Ich kann kurzfristig Urlaub nehmen, unbezahlten Urlaub natürlich“, sagt die alleinerziehende Mutter einer sechsjährigen Tochter, die im Finanzservice tätig ist. „Wenn der Streik über Wochen gehen sollte, ist Mütter-Solidarität gefragt. In unserer Kita-Gruppe werden dann mehrere Mütter abwechselnd auch andere Kinder aufnehmen. Das müsste ich dann auch selbst nutzen und natürlich auch anbieten.“
Jennifer Weise berichtet: „Es ist eine Riesen-Herausforderung, so schnell eine Alternative zu organisieren. Wir jonglieren - Partner, Großeltern, Freunde.“ Die 30-Jährige arbeitet in Bonn in der Suchthilfe und hofft, ihre vierjährige Tochter auch mal ins Büro mitnehmen zu dürfen. „Über Wochen am Stück geht das nicht, aber sicher wird mein Arbeitgeber zur Not mal für ein, zwei Tage kulant sein.“ Und: „So schwierig die Organisation jetzt für uns Familien ist: den Streik finde ich richtig. Eine anständige Wertschätzung und Bezahlung der Erzieherinnen ist auch in unserem Eltern-Interesse.“
Zu den häufigen Lösungen - oft unter großem Zeitdruck arrangiert - gehören Leih-Omas aus Nachbarschaft oder Bekanntenkreis, weiß Elisabeth Müller, Vorsitzende des Verbands kinderreiche Familien. Man hoffe aber, dass auch „innovative Lösungen vonseiten der Arbeitgeber“ kommen. Beispiel: Eine Tagesmutter, die im Betrieb für die Kinder aller betroffenen Eltern organisiert wird.
Das Verständnis bei den Eltern sei groß, glaubt Müller, selbst Mutter von sechs Kindern. „Gerade die Familien mit mehreren Kindern sehen ja, was für eine oft schwierige Arbeit Erzieherinnen in den großen und altersgemischten Gruppen leisten.“ Sie meint: „Mit unseren kleinen Kindern vertrauen wir ihnen eine große Aufgabe an. Das müssen wir entsprechend würdigen und bezahlen.“ Die Gewerkschaften fordern für die bundesweit rund 240 000 Erzieher und Sozialarbeiter in kommunalen Einrichtungen eine höhere Eingruppierung und deutlich mehr Geld.
Attila Gümüs, engagiert im Elternbeirat-Vorstand auf kommunaler wie landesweiter Ebene, sorgt sich um die Jüngsten. „Gerade im U3-Bereich kann man die ganz Kleinen nicht einfach so verpflanzen, sie brauchen ihre vertrauten Bezugspersonen. Die Kleinen werden am meisten leiden“, befürchtet der Vater von zwei Kindern. „Viele Erzieherinnen streiken schweren Herzens, das wissen die Eltern. Aber ihr Verständnis wird schwinden, falls der Arbeitskampf lange dauert.“ Und: „Ist wieder Bahnstreik, nimmt man eben das Auto. Hier geht es aber um den Dienst am Menschen, also eine andere Dimension.“
Katrin Lefkes aus Mönchengladbach - Mutter von vier Kindern und mit einem Säugling in Elternzeit - kommt ins Schwitzen. Ihre zwei Mädchen im Kita-Alter betreut sie nun daheim, stemmt dazu mit der Ältesten das übliche Schulprogramm. „Da geht eine Familie schon mal auf dem Zahnfleisch.“ Trotzdem: „Die Erzieherinnen bespaßen unsere Kinder ja nicht, sie haben einen wichtigen Anteil an ihrer Entwicklung und dokumentieren diese genau. Und dann der hohe Aufwand mit den U3-Kindern.“ Lefkes betont: „Sollte es in unserer Kita Notlagen geben, würde ich auch noch Kinder aufnehmen.“