Liebevoller Papa ist wichtiger als bekannter Erzeuger
Berlin (dpa/tmn) - Die Ähnlichkeit mit dem Vater ist nicht immer offensichtlich. Aber es gibt diese kleinen Momente: beim Lächeln, Schlendern, Tagträumen. Ist der Vater ein anonymer Samenspender, wird es diese Augenblicke niemals geben - und das muss nicht schlimm sein.
Wächst ein Kind in einer intakten Familie auf, muss es seinen leiblichen Vater nicht um jeden Preis kennen. „Grundsätzlich geht es Kindern gut, wenn sie Vater und Mutter in ihrer Nähe haben“, sagt der Diplompsychologe Klaus Neumann. Für die psychische Gesundheit des Kindes sei es allerdings nicht maßgeblich, dass der Mann, den es Papa nennt, auch der Erzeuger ist. „Die emotionale Bindung zu den tatsächlich vorhandenen Eltern ist entscheidend.“
Entstehen Kinder aus einer anonymen Samenspende, ist es nicht leicht, später den Namen des Vaters herauszufinden. Am Mittwoch (6. Februar) gab das Oberlandesgericht Hamm einer jungen Frau Recht, die von einer Samenbank den Namen ihres biologischen Vaters erfahren wollte. Eine gesetzliche Regelung zur Dokumentation der Spenderdaten gibt es allerdings nicht.
„Woher komme ich? Wohin gehe ich?“ Das seien ganz natürliche Fragen, die sich jeder im Leben einmal stellt, sagt Neumann, der Kinderschutz-Beauftragter des Berufsverbandes Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) ist. Besteht nicht die Chance, das Woher jemals herauszufinden, kann das seiner Ansicht nach durchaus eine psychische Belastung für das Kind sein. „Dann braucht so ein Mensch Begleitung.“ Das übernehmen am besten die sozialen Eltern, also die, bei denen das Kind aufgewachsen ist. Mit ihnen klärt der Jugendliche: „Was entdecke ich in mir, was den beiden nicht zuzuordnen ist?“ Woher kommt der Hang zu Chaos? Woher das Händchen für Musik?
So kämen viele Kinder mit ihrer unbekannten Herkunft besser zurecht. „Es ist zwar eine Krise, durch die sie hindurch müssen“, sagt der Experte. Aber daraus entstünden nicht zwangsläufig ernste psychologische Folgen.
„Du stammst aus der Samenbank, Schatz“ - eine solche Erklärung ist kein leichter Schritt. Aber ein notwendiger, sagt Neumann. „Es ist ein Gebot der Fairness.“ Der richtige Zeitpunkt hängt vom Kind ab. „Wenn die Frage gestellt wird, sollte man darauf eingehen - aber altersangemessen.“ Spätestens, wenn das Kind 18 Jahre alt ist, gehört für Neumann die Wahrheit auf den Tisch. „Ich finde, dann hat es das Recht, diesen letzten Raum in dem großen Schloss zu betreten, der bisher verriegelt war.“