Shoppen ohne schlechtes Gewissen: So kaufen Jugendliche fair ein
Berlin (dpa/tmn) - Der Umsatz mit fair gehandelten Produkten hat sich im vergangenen Jahrzehnt verzehnfacht. Auch vielen Jugendlichen liegen die Arbeitsbedingungen in Herstellerfirmen am Herzen. Doch Budget, Coolness und guten Taten sind oft schwer vereinbar.
Virginia packt oft die Kauflust. Ihren eigenen Stil zu finden und Mode zu tragen, die nicht jeder hat, ist ihr wichtig. „Mir ist es dann eigentlich auch egal, wenn die Kleidung aus Bangladesch kommt und von Kindern genäht wurde, so makaber das auch klingt“, sagt sie. Aber ganz so abgebrüht ist die 19-jährige Studentin aus Bochum dann doch nicht.
Sie hat sich vorgenommen, faire Mode zu kaufen, wenn sie später mehr Geld verdient. Aber momentan könne sie sich das einfach noch nicht leisten.
Auch Anna (15) aus Berlin geht gerne shoppen, ohne dabei ausdrücklich auf faire Mode zu achten. „Aber wenn ich im Fernsehen Reportagen sehe über das Leben der Arbeiter, habe ich Mitleid. Und dann kaufe ich die Klamotten oder Schuhe manchmal nicht, weil es mich traurig macht.“
Den Zwiespalt, in dem beide stecken, beschreibt der Jugendforscher Klaus Hurrelmann sehr genau. Jugendliche seien viel sensibler als der Durchschnitt der Bevölkerung, wenn es um fair gehandelte Produkte und umweltschonenden Konsum geht. Hurrelmann ist Professor für Bildungs- und Gesundheitspolitik an der Berliner Hertie School of Governance und Mitautor der Shell Jugendstudien.
Wie wir in Zukunft leben werden, darüber machten sich viele Jugendliche Gedanken. Dabei spiele der Wunsch nach sozialer Gerechtigkeit eine große Rolle. Aber das im Alltag in die Tat umzusetzen und ganz praktisch Fair-Trade-Kaffee im Supermarkt oder zu fairen Löhnen hergestellte Mode zu kaufen, dafür fehle es den Jugendlichen oft an Geld und Möglichkeiten, sagt Hurrelmann.
Fair gehandelte Bananen findet man zwar öfters in Supermärkten, aber faire Mode, Schuhe und Handys muss man suchen. Verschiedene Siegel wie Fairtrade, der Global Organic Textile Standard und das von der Fair Wear Foundation vergebene Gütezeichen für ökologische und sozial fair hergestellte Mode helfen dabei.
Inzwischen versprechen auch einige bei Jugendlichen beliebte Modehersteller wie Nike, Adidas, H&M und American Apparel, mehr auf Fairness zu achten.
Petrit (20), Schüler am Hermann-Gmeiner-Berufskolleg in Moers, will sowohl seinem Geldbeutel als auch seinem Gewissen gerecht werden. „Ich achte schon auf den Preis. Aber normale Markenklamotten kosten ja auch viel Geld“, sagt Petrit. Er ist an seinem als „Fair Trade Schule“ ausgezeichneten Berufskolleg Mitglied der FairCrew. Diese Schüler-AG beschäftigt sich mit fairem Handel.
Lotte Schuurman von der Fair Wear Foundation empfiehlt, sich seltener Neues zu gönnen, dafür aber zu fairer Mode zu greifen. Inzwischen gibt es auch einige junge Designer, die sich der fairen Mode verschrieben haben, in Deutschland zum Beispiel Monkee und Blutsgeschwister.
Schokolade, Bananen und Kakao sind ein schnellerer Einstieg in die Fair-Trade-Welt. Manche Jugendliche fangen damit gleich in der eigenen Schule an. Wie der 17-jährige Florian, der vor ein paar Jahren erst beim Pausenverkauf von fair gehandelter Schokolade mitmachte und in diesem Frühjahr sein Abitur am Carl-Orff-Gymnasium in Unterschleißheim absolviert.
Zwar ist es oft nur ein harter Kern von Schülern, der sich über eine längere Zeit in freiwilligen AGs oder im Unterricht für fairen Handel engagiert. Doch manchmal springt der Funke gleich auf die ganze Stadt über: Moers und Unterschleißheim sind auf dem Weg zur „Fair Trade Town“.