„Wie ein Flirt-Kurs“ Speed-Dating für Senioren

Arnsberg (dpa) - „Wo kann man in unserem Alter denn noch jemanden kennenlernen?“ Christina Albers wohl rhetorisch gemeinte Frage beantwortet die Runde am Tisch mit schweigendem Kopfnicken. Nur zwei Minuten später steigt im Raum nebenan der Geräuschpegel.

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An sechs Tischen sitzen sich Männer und Frauen gegenüber: Speed-Dating für Senioren. Die Regeln braucht Albers nicht lange erklären, die meisten Teilnehmer kennen sie aus dem Film „Altersglühen“. Auch sie hat sich davon zu ihrem kostenlosen Angebot bei der Arnsberger Engagement-Förderung inspirieren lassen.

Man sitzt sich zum Kennenlernen gegenüber, nach sieben Minuten unterbricht Albers die Gespräche mit einer Glocke. Die Männer ziehen zum nächsten Tisch und damit zur nächsten Dame. Am Ende trägt jeder Teilnehmer ein, ob er ein Gespräch vertiefen möchte. Haben sich beide gewählt, bekommen sie jeweils die Telefonnummer des anderen.

„Internet-Bekanntschaften - damit bin ich durch“, sagt Karin, die wie alle anderen Teilnehmer ihren Nachnamen nicht nennen möchte. „Da wird so viel gelogen, da werden 20 Jahre alte Fotos eingestellt. Ich will jemandem gegenüber sitzen. Da merkt man doch in den ersten zwei oder drei Minuten, ob der Mann sympathisch ist und man ihn noch mal sehen möchte“, sagt die 60-Jährige.

Christina Albers dämpft schon im Vorfeld die Erwartungen der Teilnehmer. „Es muss ja nicht gleich der Blitz einschlagen. Sympathie reicht doch schon mal aus.“ Und sie wünsche allen zumindest einen spannenden kurzweiligen Abend.

Gabriele (64) fragt ihre Gesprächspartner zunächst nach Hobbys und Musik. Der Schützenkönig aus dem Dorf am Stadtrand Arnsbergs disqualifiziert sich durch seinen musikalischen Geschmack. „Ich habe eine Stones-Zunge am Auto. Das passt einfach nicht zusammen“, sagt die freiberufliche Kommunikationstrainerin.

Die pragmatische Direktheit der Damen sei nicht überraschend, sagt Hanne Huntemann, die als Co-Autorin des Buches „Liebe auf den späten Blick“ der Generation 60+ bei der Partnersuche über die Schulter geschaut hat. „Das Bedürfnis nach Nähe, Sexualität und Partnerschaft ändert sich auch im Alter nicht. Aber wer älter ist, hat keine Zeit zu verlieren.“

Speed-Datings sind für Huntemann nicht unbedingt der Schlüssel zum neuen Liebesglück. Aber auch sie organisiert solche Treffen in Bremen. „Man kann nicht erwarten, die große Liebe zu finden. Aber so ein Abend ist wie ein Flirt-Kurs, bei dem ich ja auch merke, wie ich auf mein Gegenüber wirke.“ Denn dabei seien die meisten älteren Singles völlig aus der Übung.

Und Huntemann hat die gleichen Probleme wie Christina Albers im Sauerland: „Die Männer trauen sich nicht“, sagen beide unabhängig voneinander. „Sie scheinen mehr Sorge zu haben, den Ansprüchen einer potenziellen Partnerin nicht zu genügen“, vermutet Huntemann.

Ob es bei ihren Treffen funkt, weiß Christina Albers nicht. Zwei bis drei Paare wollen sich nach dem Abend noch einmal sehen, sagt sie. „Leider bekomme ich aber nicht unbedingt mit, wie es dann weiter geht.“ Bei einem Paar, das sich vor knapp einem Jahr bei ihr getroffen hat, hofft sie aber noch auf eine Einladung zur Hochzeit oder Verlobung.

Denn selten ist das auch mit über 60 nicht, genau wie Trennungen nach Jahrzehnten. „Scheidung nach der Silberhochzeit ist ein Trend“, bestätigt Hanne Huntemann aus ihren Erfahrungen. Die Über-60-Jährigen seien vermutlich auch deshalb derzeit die am stärksten wachsende Gruppe von Partnersuchenden im Internet. Das belegt auch die Statistik: In NRW hat sich der Anteil dieser Altersgruppe an den Ehescheidungen nach Zahlen des Statistischen Landesamtes zwischen 2000 und 2015 mehr als verdoppelt.