Ihr Kinderlein singet Wie junge Leute zur Musik finden sollen
Ludwigsburg (dpa) - „Hänschen klein“, „Bruder Jakob“, “Schneeflöckchen, Weißröckchen“ - es sind noch immer die Klassiker, die in den deutschen Kinderchören oft und gerne gesungen werden.
Die Nachwuchsförderung ist ein großes Thema bei Chorverbänden und Musikschulen.
Schon mit Babys und Kleinkindern wird mittlerweile musiziert, es gibt Musikkindergärten und „Singende Grundschulen“. Auch die Jugendmusikschule Ludwigsburg hat in den vergangenen Jahren eine deutlich gestiegene Nachfrage nach Gesangsangeboten registriert. „Es besteht ein großes Bedürfnis, dass Kinder früh mit Musik in Berührung kommen“, sagt Leiterin Christiane Schützer.
„In unserer Gesellschaft ist Singen nicht mehr so selbstverständlich wie früher“, so Schützer. Umso wichtiger sei es, die Aufmerksamkeit wieder darauf zu lenken. Sie baut seit zwei Jahren einen eigenen Gesangsbereich auf. Angaben des Deutschen Chorverbandes sprechen dafür, dass Singen wieder an Bedeutung gewinnt. Die Zahl der jungen Sänger steige seit einigen Jahren kontinuierlich, erläutert ein Sprecher. Laut Deutschem Musikinformationszentrum machten Kinder und Jugendliche 2015/2016 16 Prozent der Mitglieder in Chorverbänden aus.
„Wenn Eltern mit ihren Kindern gemeinsam lesen oder singen und dabei Spaß haben, fördert dies die Freude am Kommunizieren“, sagt Tanja Jahn, Lehr- und Forschungslogopädin des Deutschen Bundesverbands für Logopädie (dbl). Sie sieht im Singen eine optimale Maßnahme, um einer Verzögerung der Sprachentwicklung vorzubeugen. „Verschiedene sprachliche Bereiche wie Sprachverständnis, Aussprache, Wortschatz und Grammatik sowie die kommunikativen Fähigkeiten werden gefördert.“ Über 100 000 Verordnungen für Sprachtherapie wurden im ersten Halbjahr 2016 nach Angaben des dbl in Baden-Württemberg abgerechnet.
Für die Chöre spielt die Nachwuchsförderung noch aus einem anderen Grund eine Rolle. In einer Studie aus dem Jahr 2012/2013 fanden Forscher heraus, dass gut 60 Prozent der Sänger ihre ersten Chorerfahrungen bis zum zwölften Lebensjahr machen. Ab dem 20. Lebensjahr bleibt die Eintrittsrate dagegen konstant niedrig. „Je früher jemand eintritt, desto wahrscheinlicher ist es, dass er auch dabei bleibt“, bestätigt Johannes Pfeffer. Er ist Vorsitzender der Chorjugend im Schwäbischen Chorverband, dem zweitgrößten Amateurchorverband in Deutschland.
Das Liedrepertoire der Chöre hat sich auch daran angepasst, was der Nachwuchs jeden Tag auf YouTube oder über Spotify konsumiert. Neben klassischen werden gerne auch populäre Stücke gesungen. „Wichtig ist es, auf einen altersgerechten Inhalt zu achten“, sagt Pfeffer. Auch bei den Volksliedern. Das bekannte „Sah ein Knab' ein Röslein steh'n“ könne man beispielsweise eigentlich nicht unkommentiert singen, da es darin um eine Vergewaltigung gehe. „Viele Gassenhauer sind außerdem nicht für Kinder geschrieben“, führt er aus - etwa weil die Tonlage zu tief sei. Derzeit werde aber ohnehin vor allem ein Lied in den Chören rauf und runter gesungen: Rolf Zuckowskis „In der Weihnachtsbäckerei“.