Spielzeugtests: Rabiate Prozedur für Teddy & Co.
Nürnberg (dpa) - Geschlagen, verbrannt, zertrümmert: Spielsachen werden rabiaten Tests ausgesetzt, damit jeder noch so kleine Sicherheitsmangel auffällt. Denn Schlampereien und Konstruktionsfehler können für Kinder tödlich enden.
Bevor die Sicherheitsexperten des TÜV Rheinland einem Spielzeug Brief und Siegel geben, müssen die Anwärter so manche quälende Tortur über sich ergehen lassen. Einem kuscheligen Eisbären etwa geht es ans Fell: Mit einer Flamme testen die Mitarbeiter, ob und wie schnell der Plüsch anfängt zu brennen. Einem eingeklemmten Teddy zieht eine Maschine fest an der Nase. Damit wird getestet, ob die schwarze Kappe abgeht und von einem Kind verschluckt werden könnte. Wenige Meter weiter fällt einer Holzraupe krachend ein Zehn-Kilo-Gewicht auf den kugeligen Kopf - splittern kleine Teile ab? Und hält es das ferngesteuerte Auto aus, wieder und wieder auf den Boden geschmissen zu werden?
Es sind Fragen wie diese, die die Fachleute des TÜV Rheinland genau prüfen, bevor sie einem Spielzeug die Unbedenklichkeit bescheinigen. Nach eigenen Angaben sind die Nürnberger das größte Prüfinstitut für Spielsachen weltweit. Selbstverständlich sind sie auch auf der weltweit größten Spielwarenmesse (30. Januar bis 4. Februar) in ihrer Heimatstadt präsent.
Die TÜV-Experten sezieren Produkte von Markenherstellern genauso wie Spielsachen, die Discounter vertreiben. „Die Lidls, die Aldis, die Hersteller selbst - die haben alle ein Qualitätsmanagement und werden einen Teufel tun, eine Rückrufaktion für ihre Produkte zu riskieren“, erklärt Pressesprecher Rainer Weiskirchen. Jeder in der Branche habe erkannt, dass Spielzeugsicherheit ein hoch sensibles Thema sei.
Darauf hat auch die EU reagiert und nach einer Reihe von Skandalen die entsprechende Richtlinie verschärft. Der erste Teil trat bereits 2011 in Kraft, die Vorschriften für die chemischen Anforderungen gelten vom 20. Juli dieses Jahres an. Neu ist, dass es erstmals ein prinzipielles Verbot von krebserregenden, erbgutverändernden oder fortpflanzungsgefährdenden Inhaltsstoffen gibt - den sogenannten CMR-Stoffen. Auch dürfen 55 allergene Duftstoffe nicht mehr verwendet werden. Zudem darf Spielzeug nicht mehr fest mit Lebensmitteln verbunden sein, um die Verschluckungsgefahr zu minimieren.
Die Bundesregierung ist jedoch nicht mit allen Neuregelungen einverstanden. „Bei vielen Schwermetallen hätten wir eine Verschlechterung der Richtlinie“, erläutert ein Sprecher des Verbraucherschutzministeriums. Zwar betrifft das vor allem abschabbare Stoffe, während die Grenzen für flüssige und pulverförmige Materialien oft strenger geworden sind. Dennoch hat Deutschland Klage gegen die EU-Kommission eingereicht und will weiter auf den strengeren deutschen Grenzwerten beharren.
Auf gesundheitsgefährdende Stoffe in Spielwaren wirft auch die Verbraucherzentrale Bayern einen kritischen Blick. „Ein ganz großes Problem sind Importe aus China und anderen asiatischen Ländern“, bemängelt Umweltreferentin Gitta Geue. „Wo Menschenrechte ignoriert werden, ist der Schutz der Verbraucher erst recht kein Thema.“ Rund 60 Prozent aller in Deutschland verkauften Spielsachen kommen aus China, dem weltweit größten Herstellerland.
Dort sei aber auch sehr gute Qualität zu haben, betonen Hersteller wie Simba-Dickie-Chef Michael Sieber. Dies sei nur eine Frage der Beauftragung und der Überwachung - und des Preises. „Ein Spielzeug für wenige Cent, da kann was nicht stimmen“, betont auch TÜV-Fachmann Weiskirchen. In Ein-Euro-Shops, Strandbuden und auf Jahrmärkten sei geschätzt jedes zweite Billigst-Spielzeug nicht marktfähig. In seriösen Geschäften gekaufte Spielwaren hingegen sind hierzulande prinzipiell sehr sicher, wie Experten unisono unterstreichen.
In welchen Kategorien ein konkretes Spielzeug - stets freiwillig - geprüft wird, hängt von seiner Beschaffenheit ab: Ein Schaukelpferd aus Holz benötigt weniger Tests als ein elektronisches Spielzeug mit Soundeffekten für unter Dreijährige. „Grundlage von allem ist die chemische Prüfung“, berichtet Weiskirchen. Darüber hinaus wird die Mechanik ebenso geprüft wie die elektrische Sicherheit, die elektromagnetische Verträglichkeit und die Lautstärke.
In mehreren Plastikkisten sammeln die TÜV-Prüfer Spielsachen, die die Anforderungen nicht bestanden haben: Mini-Kuchenbackformen mit messerscharfen Kanten. Spieluhren, mit deren langer Schnur sich Säuglinge strangulieren könnten. Oder Rasseln, deren Hülle abfällt und nadelspitze Metallstifte preisgibt. Die Prüfer wollen sich gar nicht ausmalen, welche Verletzungen sich ein Baby damit hätte zufügen können. Schließlich sind Kinder schon an viel harmloser wirkenden Spielsachen gestorben - etwa an verschluckten Magnetkugeln, die sich in den Darmschlingen anzogen und dadurch die Darmwand perforierten. Seitdem müssen Magnete für Kinder wesentlich schwächer sein.