Studie: Es gibt mehr hyperaktiven Kinder
Berlin (dpa/tmn) - Die Kinder können sich kaum länger auf eine Aufgabe konzentrieren, manche sind ständig unruhig, andere eher verträumt-abwesend: Das alles können Zeichen für eine ADHS sein, die Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung.
Allerdings können die Symptome ganz unterschiedlich ausfallen, wie der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte auf seiner Website schildert. Das Wissenschaftliche Institut der AOK hat am Montag neue Zahlen zum Thema vorgelegt. Fragen und Antworten zu ADHS:
Ist das Kind nur auffällig oder krank?
Die Ursachen für ADHS sind noch nicht vollständig geklärt. Die Grenze lässt sich also wohl kaum genau ziehen, zumal sich das Verhalten von Kind zu Kind unterscheidet. Für ein tatsächliche Erkrankung können genetischen Faktoren, aber auch Umwelteinflüsse wie Nikotin-, Alkohol- und Medikamentenkonsum der Mutter in der Schwangerschaft eine Rolle spielen.
Wie macht sich das bemerkbar?
Offenbar ist bei einer Erkrankung die Informationsverarbeitung im Gehirn des Kindes gestört. Typisch sind Auffälligkeiten in drei Verhaltensbereichen: Den Kindern gelingt es nur schwer, Aufmerksamkeit, Aktivität und Gefühle zu kontrollieren.
- Das Kind ist sehr leicht ablenkbar, bricht zum Beispiel Spiele immer wieder ab, bevor es sie zu Ende gebracht hat. Es kann sich nur schlecht konzentrieren und scheint nie richtig zuzuhören.
- Das Kind läuft oder zappelt sehr viel, wirkt ständig wie aufgezogen, kann nicht still sitzen.
- Das Kind wird beispielsweise unvermittelt wütend oder jähzornig und fügt sich in Schule oder Kindergarten schlecht in die Gemeinschaft ein. Es reagiert in einer Weise, die nicht in den sozialen Kontext passt.
Wann muss man reagieren?
In der Regel kann man die ersten Anzeichen für eine ADHS bereits im Kleinkindalter beobachten, im Alter von fünf bis sechs Jahren sind sie deutlich erkennbar. Beeinträchtigen diese Symptome das Zusammenleben in mehr als einem Lebensbereich, etwa in der Familie, im Kindergarten oder in der Schule und bestehen sie länger als sechs Monate, dann sollte medizinisch abgeklärt werden, ob eine ADHS die Ursache sein könnte.
Hat der Anteil der ADHS-Diagnosen bei Kindern zugenommen?
Laut der Auswertung der über die AOK versicherten Kinder und Jugendlichen zwischen 3 und 17 Jahren ja. Zuletzt allerdings nur leicht: von 2013 auf 2014 von 4,3 auf 4,4 Prozent. 2006 waren es erst 2,5 Prozent. Bei Jungen wurde 2014 mit 6,4 Prozent deutlich mehr ADHS diagnostiziert als bei Mädchen mit 2,2 Prozent. Dabei wurden ausschließlich in den Akten gesicherte Diagnosen berücksichtigt, die der Arzt in mindestens zwei Quartalen pro Jahr erfasst hat. Die hier festgestellte steigende Rate der ADHS-Diagnosen könnte auch darauf hindeuten, dass der Erkrankung von Ärzten, Familien und ihrem Umfeld heute mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird. Die Zahl der ADHS-Kinder in Deutschland wurde vor drei Jahren auf mindestens 300 000 geschätzt. Das seien damals etwa 4 Prozent gewesen.
Wie genau können ADHS-Diagnosen sein?
In den vergangenen Jahren sind Ärzte aber auch vorsichtiger geworden, sich auf eine ADHS-Diagnose festzulegen. So erhalten jünger eingeschulte Kinder häufiger eine ADHS-Diagnose als ältere. Zum Teil lag dies daran, dass die jüngsten Kinder einer Klasse mit den älteren Mitschülern verglichen wurden. Weil etwa Impulsivität und Unaufmerksamkeit bei den Jüngeren mitunter noch stärker ausgeprägt sind, wurde dieses Verhalten im Vergleich mit den älteren Kindern möglicherweise als ADHS interpretiert.
Kann man die Krankheit mit Medikamenten behandeln?
Die Ärzte sind in den vergangenen Jahren zurückhaltender geworden mit Medikamenten, so genannten Psychostimulanzien wie Ritalin. Bis 2008 war die Verabreichung solcher Medikamente deutlich gestiegen. Heute dürfen solche Medikamente nur noch Fachleute für kindliche Verhaltensstörungen verordnen.
Was können nun Eltern tun?
Eltern sollten auf klar strukturierte Abläufe im Familienalltag achten, sich selbst konsequent verhalten und das Selbstbewusstsein ihres Kindes stärken. Studien zeigen, dass es auch hilfreich sein kann, Fernseh- und PC-Zeiten der Kinder einzuschränken und sie zu Aktivitäten im Freien oder Sport zu ermuntern. Elterntrainings können die familiäre Situation deutlich entschärfen.