Trendmonitor: Die „Generation sowohl-als-auch“

Frankfurt/Main (dpa) - Multigrafien in der Multioptionsgesellschaft: Junge Menschen wollen zu viel auf einmal, meinen Trendforscher. Deswegen verpassen sie oft den richtigen Zeitpunkt. Sie leben ein Leben „mit dem Finger am Reset-Knopf“.

Es ist die „Generation sowohl-als-auch“: Sie wollen Familie und einen tollen Job, sie wollen Kinder, aber sich nicht binden - und verpassen dabei oft den richtigen Zeitpunkt. „Viele zappen durchs Leben, ohne sich entscheiden zu können“, sagen Trendforscher über junge Menschen zwischen 16 und 35 Jahren in Deutschland. Und doch trauen sie ihnen zu, zumindest in einem Punkt eine Trendwende herbeizuführen: „Es ist vielleicht diese Generation, mit der die Geburtenrate wieder ansteigt.“

Wunsch und Wirklichkeit junger Lebensentwürfe spiegelt der „Trendmonitor 2011“, den das Zukunftsinstitut im Auftrag der Versicherung Heidelberger Leben erstellt hat. Die Ergebnisse wurden am Mittwoch (23. März) in Frankfurt vorgestellt. Das in Kelkheim bei Frankfurt ansässige Institut von Matthias Horx hat dafür statistische Daten ausgewertet, alte Umfragen zusammengetragen und 1020 Personen neu zu ihren Lebenszielen befragt.

„Was diese Generation charakterisiert ist, dass sie extrem individualistisch aufgestellt ist“, fasst der Geschäftsführer des Zukunftsinstituts, Andreas Steinle, die Ergebnisse zusammen. 89 Prozent nennen Unabhängigkeit, 88 Prozent Spaß-Haben als besonders erstrebenswert. Ganz oben auf der Prioritätenliste stehen Gesundheit und Fitness. Auch im Job ist die persönliche Zufriedenheit am wichtigsten, viel Geld zu verdienen nannten die wenigsten als entscheidendes Kriterium.

Doch die gegenläufige Tendenz ist nicht weit: Die egoistischen Lebensentwürfe konkurrieren mit einer „Renaissance der Familiensinns“. 49 Prozent können sich ein Leben ohne Kinder nicht vorstellen, nur 14,7 Prozent wollen sicher keinen Nachwuchs. 54 Prozent sehen sich in zehn Jahren im eigenen Haus, 52 Prozent zu Hause bei der Familie. Nur auf diese, glauben sie, könne man sich im Notfall verlassen.

Doch Wunsch und Wirklichkeit klaffen bisweilen weit auseinander. Die „Generation sowohl-als-auch“ wird zerrieben zwischen ihren sich widersprechenden Ansprüchen. Wer heiratet und Kinder kriegt tut das immer später. Mitte der 70er heiratete man mit Mitte 20, heute mit Mitte 30. Anfang der 60er kam das erste Kind mit 25, heute mit 30. „Keiner weiß, wann der richtige Zeitpunkt ist für die Familiengründung - daher verpassen ihn viele“, sagt Steinle.

Projektmanager Christian Rauch, der Autor des Trendmonitors, spricht von der „Rushhour des Lebens“ - jener immer kürzer werdenden Zeitspanne, in der das „richtige“ Leben organisiert werden muss. Früher gab es Jugend, Familienleben, Ruhestand. Heute schieben sich mit „Post-Adoleszenz“ und „zweitem Aufbruch“ neue Lebensphasen dazwischen, wo es okay ist, mit 40 noch ein Jugendlicher zu sein und mit 60 ein neues Leben anzufangen.

„Es ist eine Generation, die geprägt ist vom Gefühl des zwischen-den-Stühlen-Sitzens“, sagt Steinle. Man hat einen guten Job - aber es ist ein befristeter Vertrag. Man hat eine eigene Wohnung - aber immer noch ein Zimmer bei den Eltern. Man wohnt in der Stadt - sehnt sich aber zurück in sein Heimatdorf. Daraus resultiert etwas, dass das Zukunftsinstitut etwas hochtrabend „Immobilitäts-Mobilität“ getauft hat. Gemeint ist eigentlich nur: Um sich nicht entscheiden zu müssen, entscheiden sich viele fürs Pendeln.