Überlebenstipps für Familienfeiern

München/Hamburg (dpa/tmn) - Peinliche Komplimente, anstrengende Verwandte und lähmende Langeweile. Für viele Jugendliche sind Familienfeiern eher Qual als Vergnügen. Experten empfehlen: locker bleiben, Augen zu und durch.

Streitfragen sollte man möglichst vorher klären.

„Ach, was bist du groß geworden“ - für viele Jugendliche ist dieser Satz der Auftakt zu einem gefürchteten Ritual: der Familienfeier. Viele würden am liebsten gar nicht hingehen, aber zu Omas Achtzigstem oder der Silberhochzeit der Tante muss es manchmal doch sein. Da hilft nur, sich vor Augen zu führen, was Jutta Stiehler vom Dr.-Sommer-Team der Jugendzeitschrift „Bravo“ in München sagt: „Auch das nervigste Fest geht wieder vorbei.“

Die Münchener Pädagogin hat noch einen zweiten wichtigen Ratschlag: „Alles ist Verhandlungssache.“ Sie empfiehlt, absehbare Streitpunkte möglichst vor der Feier mit den Eltern zu klären. Grundsatzdebatten über Kleidung oder Tischmanieren sollten möglichst nicht vor der versammelten Verwandtschaft ausgefochten werden. „Eventuell kann man da auch einen Deal machen“, sagt Stiehler. Nach dem Motto: Heute benehme ich mich, und nächste Woche darf ich auf die Party. Wichtig sei dabei aber, die Eltern nicht zu erpressen.

„Das Problem ist, dass die Vorstellungen von Eltern und Jugendlichen oft zu weit auseinandergehen“, sagt Andreas Engel, Erziehungsberater im oberfränkischen Hof. Oft seien Familienfeiern dann nur der Anlass, zu dem länger schwelende Konflikte wieder hochkochen. Zum Beispiel über das leidige Thema Kleidung: Manche Eltern haben vielleicht ein grundsätzliches Problem damit, wie sich ihr Nachwuchs anzieht. Da kann die Familienfeier dann eine willkommene Gelegenheit sein, das Thema noch mal anzusprechen.

Experten raten in solchen Fällen beiden Seiten zur Gelassenheit. „Ab einem gewissen Alter, etwa 13 oder 14 Jahren, sollten Eltern ihren Kindern ohnehin mehr Freiräume geben“, sagt Engel. Aber auch Jugendliche sollten gelegentlich nachgeben, rät Jutta Stiehler: „Konsequent gegen alles zu sein, ist oft den Aufwand nicht wert.“ Seine Identität müsse aber kein Jugendlicher aufgeben, nur weil es auf eine Familienfeier geht.

Ein paar Grundregeln zum Auftreten gelten aber trotzdem, sagt Benimmcoach Marion Hackl aus Hamburg: „Duschen und Haare waschen ist immer eine gute Idee. Und mit Haargel und Kriegsbemalung sollte man es zu solchen Anlässen besser nicht übertreiben.“ Auch sonst rät sie eher zur Zurückhaltung - etwa beim Wettlauf zum Buffet und vor allem beim Alkohol. Denn die Familie hat ein gutes Gedächtnis: „Unangenehme Verwandte mit gesenkter Hemmschwelle mal richtig zu beleidigen, kann oft noch lange Zeit für Gerede sorgen.“

Was ist aber nun mit dem leidigen „Bist du aber groß geworden“? Hackl empfiehlt, sich davon nicht zu sehr nerven zu lassen: „Höflich antworten und das Lächeln nicht vergessen.“ Meistens seien solche Gespräche leichter zu ertragen, wenn man sich aktiv beteiligt - etwa mit gezielten Gegenfragen. Wenn es zu schlimm wird, ist aber auch ein Ausweichmanöver erlaubt: „Du, da hinten ist Tante Inge. Die wollte ich auch noch begrüßen...“.

Stiehler sieht das ähnlich: „Man sollte nicht vergessen, dass solche Komplimente meistens nett gemeint sind.“ Anders sei die Lage aber, wenn zum Beispiel ältere Männer unpassende oder anzügliche Bemerkungen gegenüber jungen Mädchen machen. „Da darf man dann auch deutlich sagen: 'Ich will nicht, dass du so mit mir redest'“, sagt Stiehler. Oft seien solche Problemfälle schon vorher bekannt - deshalb sollte man das Thema schon vorab den Eltern gegenüber ansprechen.

Trotz aller Überlebenstipps und guter Vorsätze ist niemand vor Langeweile geschützt. Stiehler rät aber davon ab, zur Ablenkung mit dem Handy oder ähnlichem zu spielen - so demonstriere man sein Desinteresse nur überdeutlich: „Das irritiert Verwandte und Eltern und macht am Ende alle unzufrieden.“ Lieber sollte man sich zurückziehen und zum Beispiel kurz vor die Tür oder in einen Nebenraum gehen. Auch hier könne es helfen, vor der Feier mit den Eltern zu vereinbaren, ab wann es okay ist, sich abzusetzen.

Und wenn die Familienfeier wirklich komplett unerträglich ist? „Dann ist es auch erlaubt, sich zeitig zu verabschieden“, sagt Hackl. Man sollte sich aber auf jeden Fall persönlich beim Gastgeber abmelden und entschuldigen. Etwa mit „Ich fühle mich heute nicht so ganz wohl.“ Was dann ja auch nicht gelogen ist.