Busenfreundin bis Frollege Welchen Stellenwert hat Freundschaft?
Berlin (dpa) - Ein Freund, ein guter Freund, das ist das Beste was es gibt auf der Welt? Zum Tag der Freundschaft am 30. Juli geben Fachleute diesem Liedtext aus dem Jahr 1930 mehr als Recht.
„Wir brauchen nicht nur eine Partnerschaft, sondern ein soziales Dorf“, sagt der Berliner Psychologe und Buchautor Wolfgang Krüger. „Die Bedeutung von Freundschaften wächst. Wir wollen Beziehungen, die gleichzeitig verlässlich sind und frei gewählt.“
Die Anzahl ziemlich bester Freunde bleibt nach Krügers Recherchen dennoch klein - selten seien es mehr als drei. Dazu kämen zwölf Durchschnittsfreundschaften. „Alles andere sind Bekannte mit einer gewissen Form von Innigkeit.“ Eine Annäherung an ein Phänomen:
- Beste Freundinnen: Für Psychologen ist das keine hohle Phrase, auch wenn es Zickenkriege gibt. „Frauen investierten viel in Freundschaften, Zeit und Fantasie“, sagt Krüger. Über zwei Drittel aller Frauen hätten eine intensive Herzensfreundschaft, in der sie über alles reden könnten - manchmal lebenslang. Mit dem Alter wachse oft die Qualität von Freundschaften. „Weil wir an Menschenkenntnis dazugewinnen, an Toleranz und an Humor.“
- Männerfreundschaften: Unter Männern pflegt nach Krügers Recherchen nur ein Drittel Herzensfreundschaften. Männer hätten oft eher Kumpelbeziehungen, in denen es um Fußball oder Autos gehe. Ist es heute leichter, in einer Männerfreundschaft Schwäche zu zeigen? „Ich fürchte, dass der heutige Zeitgeist eher bewirkt, dass Männer stark sein wollen und Schwächegefühle meiden“, sagt Krüger. Gesamtgesellschaftlich zeige sich eine Tendenz zum Machowesen. Daran seien Frauen nicht ganz unschuldig. Sie bewerteten die klassische Alpha-Eigenschaft „Status“ in Form des beruflichen Erfolgs als besonders männlich, dazu gleichrangig heute aber auch eine liebevoll gelebte Vaterrolle. „Frauen erträumen sich einen Alpha-Softie.“
- Geschwister: Kaum jemand kennt einen Menschen länger als Bruder oder Schwester. Geschwisterbeziehungen gelten Forschern als die längste Freundschaft des Lebens, manchmal sogar als die längste Liebe. „Wenn Geschwisterbeziehungen gelingen, können sie eine tiefe Freundschaft beinhalten“, sagt auch Wolfgang Krüger. Allerdings seien die meisten am Anfang von einer gewissen Rivalität und Eifersucht geprägt. Typisch sei, wenn das älteste Kind unter der „Entthronung“ durch jüngere Geschwister leide. Was Geschwister als Erwachsene aus ihrer Verbindung machen, ist sehr individuell. Es gibt alles - von lebenslanger enger Verbundenheit bis hin zum Kontaktabbruch ohne Versöhnung.
- Kollegen: „Frollegen“ nennen Sozialforscher Freunde am Arbeitsplatz. Für Betriebsklima und Leistung gilt das als günstig, so lange Frollegen sich nicht abschotten - oder zerstreiten. In einer repräsentativen Umfrage gab 2017 rund die Hälfte der deutschen Berufstätigen an, im Job Freundschaften fürs Leben geschlossen zu haben. Bleibt nicht doch immer ein bisschen Konkurrenz? „Kollegenfreundschaften sind oftmals sehr intensiv, wenn der Beruf als Berufung erlebt wird“, sagt Krüger. Denn mit Kollegen verbringe man mehr Zeit als mit dem Partner. Und der Gesprächsstoff gehe auch nie aus. „Konkurrenz ist aber natürlich ein Thema.“ Vor allem, wenn es um gesellschaftliche Anerkennung oder um beruflichen Aufstieg geht. „Freundschaft verträgt sich nicht mit Macht.“
- Parteifreunde: Die sarkastische Steigerung „Freund, Feind, Parteifreund“ wird dem ersten Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) zugeschrieben. Zur Zeit steht vor allem das Verhältnis zwischen Angela Merkel (CDU) und Horst Seehofer (CSU) unter öffentlicher Beobachtung. „Wir wissen, wie wichtig gute freundschaftliche Beziehungen in der Politik sind“, sagt Psychologe Krüger. Die Hälfte des politischen Erfolges sei der Stimmung in persönlichen Bindungen geschuldet. „Deshalb ist es verhängnisvoll, wenn Politiker nicht mehr miteinander reden können.“
- Schulfreunde: Soziale Netzwerke werben dafür, alte Schulfreunde wieder auszugraben. Hat das Sinn, wenn man sich über Jahrzehnte aus den Augen verloren hat? „Schulfreundschaften sind deshalb so intensiv, weil man sich viele Jahre jeden Tag sieht und ähnliches erlebt. Das schafft eine Vertrautheit, die oftmals noch nach Jahren durch gemeinsame Erinnerungen aktiviert werden kann“, sagt Krüger. Aber wenn dann nicht neue Erlebnisse hinzukämen oder intensive Gespräche geführt würden, bleibe es bei einer reinen Erinnerungskultur.
- Nachbarn: Entertainer Stefan Raab griff vor fast 20 Jahren die Worte Knallerbsenstrauch und Maschendrahtzaun auf, die bis heute symbolisch für sinnfreien Nachbarschaftsstreit stehen. Psychologe Krüger sieht das für Nachbarn nicht als typisch an. Nachbarschaft sei oft auch mehr als ein rein nutzenorientiertes Verhältnis zum Blumengießen. „Mit Nachtbarn kann man durchaus eng befreundet sein, obgleich natürlich Konflikte entstehen können“, sagt er. „Und nicht jeder mag es, dass der Nachbar fast zwangsläufig die eigenen Lebensgewohnheiten kennt.“ Dennoch sei gute Nachbarschaft wichtig. Die Gespräche im Treppenhaus oder über den Gartenzaun hinweg vermittelten das wichtige Gefühl eines sozialen Dorfes - ein Aufgehobensein.
- Facebook und Co.: Die Bezeichnung „Freunde“ findet Psychologe Krüger in sozialen Netzwerken ungünstig. „Begriffe sind immer schwierig. Man könnte hier von Bekanntschaften sprechen“, sagt er. Denn Freunde kenne man persönlich.