Wenn Schwangerschaft und Tod zusammentreffen
Hamburg (dpa/tmn) - Erleben Frauen ihre Schwangerschaft und den Tod eines Elternteils zugleich, werden sie mit extremen Emotionen konfrontiert. Freude und Trauer müssen verarbeitet werden. Sich Unterstützung suchen ist dabei besonders wichtig.
„Der Eine geht, der Andere kommt“ - diese alte Weisheit über Leben und Tod kann während einer Schwangerschaft zur Achterbahnfahrt der Gefühle werden. Gar nicht mal selten treffen diese zwei Lebensereignisse zusammen: Frauen erwarten die Geburt ihres Kindes, während sie sich gleichzeitig von einem eigenen Elternteil verabschieden müssen. „Das ist eine große Herausforderung, diese extremen Gefühle von Trauer und Freude unter einen Hut zu bringen“, sagt die Diplom-Psychologin Constanze Weigle aus Stuttgart.
Weigle betreut in ihrer Praxis Frauen, die mit psychischen Problemen rund um Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett zu kämpfen haben. So unterschiedlich die Charaktere der Menschen und die Beziehungen in den Familien seien, so unterschiedlich reagierten auch die Frauen, wenn Schwangerschaft und Tod so nahe beieinander sind, sagt sie. „Es kommt natürlich auch darauf an, wie plötzlich der Tod eintritt. War es eine lange Erkrankung, ist es vielleicht sogar eine Erleichterung. Stirbt jemand unerwartet, ist das oft schwieriger zu bewältigen“, sagt sie.
Viele Fragen kommen bei werdenden Müttern auf: Was macht das mit meinem Kind, wenn ich sehr viel weinen muss? Darf ich mich über mein Kind freuen, wenn meine Mutter oder mein Vater nun alleine sind und es ihnen schlecht geht?
„In so einer Situation versuche ich immer den Frauen zu vermitteln, dass alle Gefühle erlaubt und wichtig sind“, sagt die Hebamme Clarissa Schwarz. Seit 2010 leitet die Professorin den frisch gestarteten Studiengang Hebammenkunde an der Hochschule für Gesundheit in Bochum. „Ein Alarmzeichen ist es für mich, wenn eine Frau gar nicht weint und die Trauer nicht zulassen kann.“ Bemerke sie bei einer Frau große Schwierigkeiten, rate sie ihr, sich psychotherapeutische Hilfe zu holen.
Viele Angehörige würden Schwangeren raten, nicht zu einer Beerdigung zu gehen. „Tu dir das nicht an“ höre man dann oft. „Davon halte ich gar nicht so viel. Rituale haben etwas sehr Heilsames, besonders beim Abschied nehmen.“ Wichtig sei aber, dass die Frau bei der Beerdigung eine Unterstützung habe, beispielsweise durch den eigenen Partner, und nicht selbst noch anderen Angehörigen wie Kindern oder Eltern Halt geben müsse.
Besonders der Tod der eigenen Mutter ist laut Weigle für Schwangere und junge Mütter schwierig. „Viele sehnen sich danach, selbst bemuttert zu werden. Und viele würden ihrer Mutter ihr Kind am ehesten überlassen, um sich selbst einmal auszuruhen.“ Auch sie rät, sich schnell professionelle Hilfe zu holen, wenn starke depressive Gefühle oder Verlustängste in Bezug auf das Kind auftreten.
„Wichtig ist für diese Frauen zu überlegen, woher sie Kraft und Unterstützung bekommen können“, sagt Weigle. Dabei spielten natürlich auch der Partner, Angehörige und Freunde eine Rolle. Sie könnten bei der Frage helfen, wie sich Freiraum für die werdende Mutter organisieren lässt, damit diese ihre Gefühle verarbeiten können.
Die Medizinerin Petra Clara Arck beschäftigt sich seit 15 Jahren mit den Auswirkungen von Stress auf die Schwangerschaft und die Kinder. Laut einer Studie an der Berliner Charité, die sie betreut hat, gibt es einen Zusammenhang zwischen einem niedrigen Spiegel des Hormons Progesteron, erhöhter Wahrnehmung von Stress und einem höheren Lebensalter der Frauen.
Dabei komme es aber sehr darauf an, in welchem Stadium die Schwangerschaft sei, im ersten Drittel ist das Risiko für eine Fehlgeburt am höchsten. Für viele Frauen sei die Geburt eines Babys ein großer Trostfaktor, sagt die Psychologin Weigle. Die Freude darüber könne bei der Trauerbewältigung helfen. „Und die Aufgabe für die Schwangere ist eigentlich klar: Ein neues Leben beginnt.“