Fitnesstraining mit der Spielekonsole
Die Hersteller haben die Senioren entdeckt und bieten Sport- und Gedächtnisprogramme an.
Düsseldorf. Martha steht mit nackten Füßen auf dem "WiiFit"-Board, das aussieht wie eine Körperfettwaage und zwei Meter vor dem Fernseher auf dem Teppich liegt.
Jetzt rudert sie mit den Armen und stößt eigenartige Jodel-Laute aus: "Ooh-ohh-lololo - ha!" Sie lässt die Arme fallen und grinst über beide Backen: "Jetzt hab ich’s endlich auf die andere Seite geschafft!"
Die pensionierte Sachbearbeiterin aus Delmenhorst ist 63 Jahre alt, geht einmal in der Woche zum Frauen-Brustschwimmen - und hat nie ein Gamepad in der Hand gehalten; und was eine Wii ist, hätte sie bis vor wenigen Tagen nicht sagen können.
Doch jetzt ist das WiiFit-Fieber ausgebrochen: "Das ist ja besser als Nordic Walking", sagt sie, nachdem sie ihre erste "WiiFit"-Sitzung gemeistert hat.
"WiiFit" ist Nintendos jüngster Streich beim Versuch, Rentner für Videospiele und Spielgeräte zu begeistern. Das weiße Board wird mit dem Wii genannten Spielgerät verbunden, dann steigt der Nutzer drauf und macht unter Anleitung eines digitalen Trainers einfache Balance-Übungen. Am Ende wird das "Wiifit"-Alter präsentiert und ein völlig freies Fitness-Ziel festgelegt.
Martha möchte in vier Wochen zwei Kilogramm abnehmen. Das ist zu schaffen - wenn sie jeden Tag die Übungen auf dem Brett absolviert. Dazu balanciert sie mit ihrem Alter Ego, einem selbst gestalteten Figürchen, über Seile, fährt Hüft-kreisend Slalom, dehnt sich, reckt sich und versucht, einen Ball auf einer Scheibe ins Loch zu befördern, indem sie ihr Gewicht verlagert.
Die Fachwelt lobt das Angebot, der Berliner Sportlehrer Magnus Liepins sagt: "Die Übungen, die man damit macht, führen nah an das heran, was wir in der Physiotherapie machen. Vor allem ist es möglich, die Tiefenmuskulatur zu trainieren, das ist bei Reha-Patienten enorm wichtig."
"WiiFit" ist dabei kein trockenes Fitness-Programm, immerhin stammt es von Nintendo. Seit rund zwei Jahren forciert Nintendo die Erweiterung des Marktes, denn im Heimatland Japan ist der demographische Wandel weiter fortgeschritten als hierzulande, allein mit der schrumpfenden Gruppe der Kinder und Jugendlichen gibt’s keine Umsatz-Steigerungen mehr.
"Dr. Kawashimas Gehirn-Jogging" hieß das erste Nintendo-Programm, das sich für den Einsatz in Altenheimen eignet. Der Gedächtnistrainer ist ein Hit, 13 Millionen Mal hat er sich verkauft - und dabei zum Erfolg des tragbaren Spielgeräts DS beigetragen, das Nintendo seit drei Jahren auch in Deutschland vertreibt - mit riesigem Erfolg.
Der DS (Preis: ca. 140 Euro) wird wie ein Reclam-Büchlein gehalten, mit der linken oder rechten Hand schreibt der Nutzer Ziffern in Kästchen, übt seine Hand-Augen-Koordination in Titeln wie "Augen-Training: Trainieren und entspannen Sie Ihre Augen", schult das Gedächtnis und löst Sudoku-Rätsel.
Die Erweiterung der Zielgruppe nutzt Nintendo enorm: Im vergangenen Geschäftsjahr konnte der japanische Hersteller seinen Gewinn etwa verdoppeln - auf umgerechnet rund 1,6 Milliarden Euro bei einem Umsatz von fast zehn Milliarden Euro.
Indes profitieren andere Hersteller weniger von den DS-spielenden Rentnern: "Die neue Zielgruppe wird diese Gelegenheitsspiele gar nicht wahrnehmen, solange dafür keine TV-Werbung geschaltet wird", sagte Martin Schneider im Gespräch mit der Fachzeitschrift International Games Magazine.
Doch für aufwändige TV-Werbe-Kampagnen fehlt das Budget, um Titel wie "Let’s Yoga" erfolgreich zu verkaufen.
Die Top Ten der Wii- und der DS-Spiele-Charts dominiert Nintendo, nur Hersteller Sega kann sich hier behaupten - mit "Mario & Sonic bei den Olympischen Spielen", also Titeln, in denen wiederum Nintendo-Maskottchen Mario einen nicht unerheblichen Gastauftritt hat.
Für Martha spielt das allerdings keine Rolle: Sie ist zufrieden mit ihrem "WiiFit"-Board, das Nintendo in den folgenden Jahren gewiss mit weiteren Programmen füttern wird.