Erbstreit: Regelungen zu Lebzeiten treffen
München (dpa/tmn) - Erben und erben lassen? Wenn das so einfach wäre. Der Pflichtteil ist der größte Zankapfel im Erbrecht. Erbittert gestritten wird um das wer und das wie viel. Am Ende zählt Bares.
Dass es im Streit um den Pflichtteil am Ende ausschließlich um Geld geht, gehört zu den wenigen sicheren Sachen. „Der Pflichtteil ist immer nur ein Geldanspruch“, stellt Klaus Michael Groll, Gründungspräsident des Deutschen Forums für Erbrecht, fest. Wunschträume von Schmuck, Immobilien oder Gemälden lässt der Jurist aus München gleich platzen: „Eigentum an Nachlassgegenständen erhält der Pflichtteilberechtigte nicht.“
Der Krach beginnt erfahrungsgemäß viel früher: mit der Frage, wem der Pflichtteil zusteht. In der Regel sind das Ehepartner, eingetragene Lebenspartner, Kinder oder Enkel des Erblassers. Dessen Eltern kommen zum Zuge, wenn weder Kinder noch Enkel - im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) heißen sie Abkömmlinge - da sind. Geschwister, Stief- oder Schwiegerkinder gehen laut BGB leer aus.
Anspruch haben diejenigen, die im Testament nicht bedacht worden sind. Sie haben drei Jahre Zeit, ihren Anspruch geltend zu machen. Bei zwei Kindern und einem Nachlass von rund 100 000 Euro sind dies 12 500 Euro pro Kopf, sofern die Eheleute in einer Zugewinngemeinschaft lebten. Diesen Betrag müsste zum Beispiel eine vom Ehemann zur Alleinerbin eingesetzte Mutter jedem ihrer beiden Kinder zahlen. Ein Einzelkind bekäme 25 000 Euro.
Am Punkt „Wie viel ist das Erbe wert“ droht der nächste Konflikt. Pflichtteilsberechtigten steht Auskunft über den Nachlass zu. „Mit den Angaben hält der Erbe aber oft hinter dem Berg“, sagt Groll. Schließlich will er möglichst wenig zahlen. Nach der Erfahrung von Ludwig Kroiß, dem Präsidenten des Amtsgerichts Traunstein, wird hier vielfach geflunkert. Bei Zweifeln bleibt der Weg zum Gericht. „Auskunft, Wertermittlung und Zahlung. Alle drei Sachen können in einer Klage geltend gemacht werden.“
Meist wird jedoch zunächst mit Hilfe von Gutachtern der Nachlasswert ermittelt. Jeder Beteiligte kann eigene Sachverständige beauftragen. Und die kommen häufig zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Der Anwalt Andreas Frieser aus Bonn berichtet von einem Fall, in dem die Bandbreite für ein Unternehmen zwischen „null bis zu mehreren Millionen schwankte.“
Finanziert werden die Gutachten aus dem Erbe. Die vermeintlich gut gefüllte „Kriegskasse“ Nachlass ist für Frieser, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Erbrecht im Deutschen Anwaltverein, ein Grund, warum so hartnäckig um den Pflichtteil gekämpft wird. Die Ursachen liegen jedoch tiefer. „In der Regel hat es vorher schon rumort in der Familie.“
Deshalb ist das Thema aus Juristensicht heikel. Trotzdem empfehlen sie Eltern, zu Lebzeiten mit ihren Kindern darüber zu reden. Sonst droht das Auszahlen des Pflichtteils zum existenziellen Problem zu werden: Woher soll die Mutter, die nur das vom Mann geerbte Eigenheim besitzt, das Geld nehmen, um ihre Kinder auszuzahlen? Häufigste Konsequenz: verkaufen.
Eine einvernehmliche Lösung ist der Pflichtteilsverzicht. Kinder erklären sich zu Lebzeiten der Eltern bereit, nach deren Tod keinen Pflichtteil zu beanspruchen. Als Gegenleistung bieten die Eltern eine Abfindung an, die sofort bezahlt wird und deren Höhe sich am Vermögen orientiert. Davor steht eine psychologische Hürde: „Eltern fällt es oft schwer, Kindern den Besitz zu offenbaren“, sagt Groll. Vorteil der Lösung: Es gibt kein Warten auf den Tod. Die Kinder haben zu Lebzeiten etwas auf dem Konto oder erhalten wertvollen Besitz. Vater und Mutter können beruhigt mit dem Rest ihres Vermögens machen, was sie wollen, weil der alleinerbende Partner vor späteren Ansprüchen geschützt ist. Ein Pflichtteilsverzicht muss notariell beurkundet sein.
Eltern können ihren Abkömmlingen auch testamentarisch den Verzicht auf den Pflichtteil verordnen. Dazu genügen Formulierungen wie „Es ist unser Wunsch, dass die Kinder ihren Pflichtteil nicht verlangen“, gepaart mit der Daumenschraube „Wer dagegen verstößt, bekommt auch im Schlusserbfall nur den Pflichtteil.“ Früher galt dies Groll zufolge als unfreundlicher Akt. Heute werden die Sätze häufiger genutzt, „weil Eltern an ihre eigene Versorgung denken.“
Eine andere Option ist die Schenkung. Um zu verhindern, dass der Erblasser „sich arm schenkt“, ist sie an bestimmte Bedingungen geknüpft, wie Frieser erläutert. Unter anderem werden Schenkungen, die innerhalb einer Zehn-Jahres-Frist erfolgen, bei der Berechnung des Pflichtteils berücksichtigt. Die Frist greife aber nicht, „wenn der Schenkende noch die Hand auf dem Geschenk hat“. In der Praxis heißt das: Behält sich Vater die Nutznießung des verschenkten Eigenheims vor, wird dessen Wert voll in die Berechnung des Pflichtteil einbezogen.
Literatur:
- Vorsorge für den Erbfall durch Testament, Erbvertrag, Schenkung. Bayerisches Staatsministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (Hrsg.): Beck. 4,40 Euro, ISBN-13: 978-3-406-61717-1