Online-Auktionen: Emotionen sind kein guter Kaufberater

Wiesbaden (dpa/tmn) - Versteigerungen ähneln Poker. Beide Seiten spielen mit Risiko, um ein gutes Geschäft zu machen. Verkäufer hoffen auf mehr Gewinn, als sie mit einem Festpreis erzielen würden. Bieter hoffen auf Schnäppchen, ziehen dabei aber nicht selten den Kürzeren und zahlen am Ende drauf.

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Die Wissenschaft hat sich mit dem Phänomen des „Overbidding“ (englisch für „Überbieten“) in einigen Studien beschäftigt - und liefert viele Erklärungen. Zusammengefasst lässt sich sagen: Bieter zahlen häufig dann zu viel, wenn Emotionen ins Spiel kommen.

Monika Müller weiß, was schon das erste Gebot im Hirn auslösen kann: „In dem Moment empfinden Bieter mitunter, dass der Gegenstand quasi bereits in ihrem Besitz ist“, sagt die Finanzpsychologin aus Wiesbaden. In ihrem Geist nutzen sie das Produkt schon, obwohl die Auktion noch läuft: Sie tragen imaginär den angebotenen Ring am Finger, telefonieren mit dem neuen Handy. Müller spricht vom „Besitztums-Effekt“.

Durch diese emotionale Verbindung mit dem Auktionsgegenstand steigt beim Bieter die Bereitschaft, einen höheren Preis zu zahlen. Außerdem schränkt sich die Wahrnehmung ein, wie Müller sagt: „Studien haben ergeben, dass seitlich eingeblendete günstigere Angebote für das gleiche Produkt in der Situation nicht mehr registriert werden.“

Auktionen sind immer auch ein Spiel mit vielen Mitspielern, von denen nur einer - der mit dem letztlich höchsten Gebot - gewinnen kann. Das führt zu einem Wettkampf-Effekt. Der Preis geht in die Höhe, weil sich die Bieter gegenseitig übertrumpfen wollen. US-Forscher haben mittels MRT-Untersuchungen sogar herausgefunden, dass Menschen aus Angst vor Ansehensverlust bei Auktionen überhöhte Preise zahlen.

Auch vermeintlich rationale Beweggründe können zu unverhältnismäßig hohen Geboten führen. „Bieter rechnen mitunter den Zeitaufwand, den sie für die Auktion haben, mit ein“, sagt Müller. „Subjektiv steigt dadurch der Wert der Sache.“ Die Finanzpsychologin nennt das den „Betriebskosten-Effekt“.

Gegen diese emotionalen Effekte hilft vor allem ein kühler Kopf. Bieter sollten zunächst vorab zumindest kurz recherchieren, wie viel ein Objekt etwa wert ist. Bei neuen Produkten geht das leicht im regulären Handel oder über Preis-Suchmaschinen im Internet, wie Michael Hummel von der Verbraucherzentrale Sachsen sagt. „Bei gebrauchten oder seltenen Gegenständen beobachtet man vorher am besten Auktionen zu ähnlichen Artikeln.“

Wenn der Bieter weiß, wie viel die Ware wert ist, legt er für sich einen Höchstpreis fest. Bei der Auktion sei es wichtig, daran auch wirklich festzuhalten und sich nicht hinreißen zu lassen, betont Hummel. „Lieber steigt man aus, wenn die Gebote zu hoch werden und sucht sich ein anderes Angebot.“ Bietagenten helfen dabei, die Schmerzgrenze nicht zu überschreiten. Auf Plattformen wie Ebay ist diese Software schon integriert. Nachdem man ein Höchstgebot eingegeben hat, bietet der Bietagent so lange mit, bis es erreicht ist. Danach endet das automatische Mitbieten.

Externe Programme wie mySniper, Biet-O-Matic oder Baytomat bieten auch automatisch bis zu einem festgelegten Höchstgebot. Sie agieren aber taktischer, indem sie nicht jedes Gebot sofort überbieten, sondern erst in den letzten Sekunden einer Auktion aktiv werden. Die Nutzung derartiger „Sniper-Tools“ kann allerdings durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Auktionsplattformen untersagt sein.

Bei Ebay galt das etwa bis März 2014. Danach änderte der Konzern seine Richtlinien. „Mit der aktuellen Fassung der Ebay-AGB sind Gebote mittels automatisierter Datenverarbeitungsprozesse nicht mehr ausgeschlossen“, erläutert Thomas Lapp, auf IT-Recht spezialisierter Rechtsanwalt aus Frankfurt am Main.

Auch Bietern, die keine Bietagenten nutzen, rät Monika Müller, so spät wie möglich bei einer Auktion einzusteigen. „Dann sinkt das Risiko, emotionalen Effekten ausgesetzt zu sein.“ Und damit auch die Gefahr, unnötig mehr zu bezahlen.