Sehen, hören, fühlen - Funktionen statt den Beruf versichern
Hamburg (dpa/tmn) - Wer unter Rückenproblemen leidet oder beruflich anderen aufs Dach steigt, für den ist es oft schwierig, eine Berufsunfähigkeit abzusichern. Für solche Fälle gibt es die Funktionsinvaliditätsversicherung - mit Vor- und Nachteilen für den Verbraucher.
Eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) ist wichtig. Allerdings ist sie nicht für jeden zu bekommen. Doch es gibt eine Alternative: die Funktionsinvaliditätsversicherung (FIV). Interessenten haben hier die Wahl zwischen etwa 100 Tarifen; einige werden als Körperschutzpolice, Multirente oder Optirente angeboten.
Die Verträge setzen generell niedrigere gesundheitliche Eingangshürden als die BU. Außerdem sind die Prämien niedriger, die Leistungen abgespeckt. Dadurch ist die FIV in der Regel finanzierbarer, insbesondere für Risikoberufe wie Kranken- und Altenpfleger oder Handwerker, sagt Bianca Boss vom Bund der Versicherten (BdV) in Henstedt-Ulzburg bei Hamburg.
Die Ratingagentur Franke & Bornberg hat Angebote verschiedener Gesellschaften unter die Lupe genommen. Abhängig von Eintritts- und Endalter kann die jährliche Beitragsspanne zwischen 220 und rund 1200 Euro liegen. Dafür erhalten Versicherte eine Rente von 1500 Euro monatlich oder eine Einmalzahlung. Zum Vergleich: In der BU müssten Krankenschwestern, Dachdecker oder Maler mindestens 70 Euro monatlich für 1000 Euro Rente berappen.
Eine FIV-Police besteht in der Regel aus drei Bausteinen. Nummer eins ist die Absicherung der Grundfähigkeiten: Es gibt Geld, sobald das Sehen, Bewegen, Fühlen, Schmecken oder Hören beeinträchtigt sind. Meistens zahlen die Assekuranzen auch Geld bei geistigen Fehlfunktionen, etwa Orientierungslosigkeit. Eine Pflegezusatzrente bildet häufig den zweiten Baustein. Der übliche dritte Baustein wird Boss zufolge relativ individuell gestaltet: Mal geht es um eine zusätzliche Unfallrente, mal um eine Zahlung für den Fall, dass ein Organ erkrankt. Leistungen bei Krebs, Herzinfarkt oder anderen Leiden können ebenfalls vereinbart werden.
Der Teufel steckt aber im Detail. „Die Bedingungen sind zu unterschiedlich und damit unübersichtlich“, kritisiert Michael Wortberg von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Als ein Beispiel nennt er den Pflegebaustein: Während manche Verträge volle Leistung schon bei Pflegestufe 1 vorsehen, schreiben andere bei Krankheiten wie Krebs oder Multiple Sklerose monatelange Wartezeiten fest. Für Verbraucher seien die jeweiligen Konditionen schwierig nachzuvollziehen.
Selbst Versicherer empfehlen potenziellen Kunden einen genauen Vergleich. Ein Punkt sei die Frage, wie viele Einschränkungen erfüllt sein müssen, damit Leistung ausgelöst wird, sagt Sascha Becker, Produktmanager Biometrie der Allianz Deutschland. Zudem kann ein Blick auf die Bemessung hilfreich sein: Springt die Assekuranz bereits ein, wenn jemand noch 400 Meter weit gehen kann ohne anzuhalten, oder muss die Distanz kürzer sein?
Die vor Vertragsabschluss erforderliche Risikoprüfung fällt in der FIV um ein Vielfaches geringer aus als in der BU, die Antworten werden weniger streng bewertet, erläutert Becker. Der Grund ist einfach: Die Policen decken nicht alle Risiken ab. So können die Atemwegsorgane unberücksichtigt bleiben, bei Allergien greift die FIV generell nicht. Außerdem sind psychische Probleme weitestgehend ausgeklammert. Unter dem Strich gilt: Die FIV bietet eine Grundabsicherung. Die fällt zwar geringer aus als bei einer BU-Versicherung - aber es ist mehr als nichts.