„Kampf mit dem ganzen Körper“ Armwrestling ist Kraft und Technik

Hergisdorf (dpa) - John Brzenk ist schuld. Und ein bisschen Sylvester Stallone. Der eine wurde mit 18 zum ersten Mal Armwrestling-Weltmeister, der andere holte sich den Titel im Actionfilm „Over the Top“ (1987).

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Allein von der Erscheinung kann Jan Sarembe mit beiden mithalten.

Der Mann aus der Lutherstadt Eisleben ist ein beeindruckendes Muskelpaket. „43 Zentimeter Unterarmumfang“, sagt er und lacht. Als Sarembe vor gut sechs Jahren mit Armwrestling anfängt, kennt er zwar Stallone und den Film, auf Brzenk bringt ihn sein heute 27-jähriger Sohn Erik. „Er zeigte mir ein Video und sagte: so will ich auch mal werden.“

Aus der medialen Begeisterung für den Extremsport ist für Vater und Sohn echte Leidenschaft geworden. Beide sind Spitzenarmringer im Turn- und Sportverein 1891 Hergisdorf, einem 1500-Einwohner-Dorf im Mansfeldischen. Sarembe ist 48 Jahre alt und leitet die Sektion der Armwrestler mit 16 Mitgliedern - einzigartig in Mitteldeutschland. Bundesweit gibt es nur 15 Armwrestling-Vereine, Hochburgen sind Wolfsburg, Hanau und Frankfurt (Oder).

„Einer von uns kommt einmal die Woche aus dem fast 200 Kilometer entfernten Plauen zum Training“, sagt der sympathische Glatzkopf mit Stolz. So weit reicht die Strahlkraft der starken Truppe, die seit Herbst 2014 in bescheidenen Verhältnissen und mit viel Idealismus Kraft, Technik, Schnelligkeit und Bewegung trainiert.

Am Samstag (8. April) richtet der Verein die 30. Deutschen Meisterschaften im Armwrestling aus. Ein Kraftakt für die Kraftprotze, in den sie mithilfe von Sponsoren bereits 11 500 Euro investiert haben. „Für uns ist das richtig was“, sagt Sarembe. Und daran hat auch irgendwie Martin Luther seinen Anteil. „Wir waren bei der Meisterschaftsvergabe im Finale und da habe ich die Joker Reformationsjubiläum und Sachsen-Anhalt-Tag in Eisleben gezogen. Hat funktioniert.“

120 Frauen und Männer treten in ihren Gewichtsklassen an die 104 Zentimeter hohen Tische. Gerungen, oder vielmehr gezogen, wird in der Glück-Auf-Halle. Sarembe rechnet mit 500 Zuschauern. Die Wettkämpfe dienen auch als Qualifikation für die deutsche Nationalmannschaft, die bei der Europameisterschaft im Mai in Polen und der Weltmeisterschaft in Ungarn an den Start geht.

Es ist der letzte Trainingstag vor dem Großereignis. Der gastgebende Hergisdorfer Verein stellt zwölf Teilnehmer. Sarembe hat die Arme verschränkt und schmunzelt. Er schaut Mirko Oehmichen (24) und Tobias Fitzenreiter (43) zu, die sich an einem Tisch mit Armen duellieren. Beide sind weit weniger muskulös als Sarembe, der bei 1,78 Meter Körpergröße 108 Kilogramm auf die Waage bringt. Mitdrücken kann er wegen Bizepsriss im Januar bei der Meisterschaft zwar nicht, aber für die Teamkollegen ist er da.

Oehmichen und Fitzenreiter wiegen wie Ringer auf der Matte hin und her. Armwrestling wird im Stehen ausgeführt. Die Ellenbogen ruhen auf einer gepolsterten Unterlage und die vom Magnesium weiß bestaubten Hände umklammern sich fest. So fest, dass die Knöchel weiß hervortreten. Armwrestling ist auch ein Belauern, ein Kopfsport. Den Handrücken des Gegners ins Polster zu drücken, hat nicht viel mit Kraft zu tun. „Alles Technik“, sagt Sarembe, der in einem Jugendgefängnis arbeitet. „Dicke Oberarme sind fehl am Platz. Es kommt auf die Unterarme und Handgelenke an.“

Oehmichen stößt hochrot einen Schrei aus, dann das große Durchatmen. „Man kämpft mit dem ganzen Körper“, sagt Fitzenreiter. „Die Dynamik ist immens.“ Wie lange ein Match dauert, weiß keiner. „Es gibt blitzschnelle Leute“, sagt der 43-Jährige. „Da hat man sich noch nicht mal gesammelt und schon ist alles vorbei.“

„Armwrestling ist kein stumpfsinniges Gegeneinanderdrücken überdimensionaler Arme, sondern ein dynamischer Kampf zweier Kontrahenten“, sagt der Vorsitzende des Deutschen Armwrestling-Verbandes, Olaf Köppen. Ein Team-Sport, den man am besten im Verein ausübt. „Jeder kann das über Jahrzehnte ohne Reue machen.“