Ausgaben für Arznei sind drastisch gestiegen
In kaum einem anderen Land sind die Arzneipreise so hoch wie bei uns. Das soll sich nun ändern.
Berlin. Die Arzneimittelausgaben in Deutschland sind 2009 erneut deutlich gestiegen. Die gesetzlichen Krankenkassen gaben im vergangenen Jahr laut dem Arzneiverordnungs-Report 2010 4,8 Prozent mehr für Medikamente aus als im Vorjahr. Das entspricht Mehrausgaben von 1,5 Milliarden Euro. Insgesamt gaben die Kassen 2009 für Arzneimittel 32,4 Milliarden Euro aus. Der Report sieht allerdings erhebliche Einsparpotenziale, die ohne Qualitätseinbußen in der Therapie mobilisiert werden könnten.
In Deutschland können die Pharmafirmen mit unregulierten Preisen den Versicherten direkt in die Tasche greifen. Das monierten die Herausgeber des Arzneiverordnungs-Reports 2010. Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler will damit Schluss machen.
"Es gibt keinen erkennbaren Grund, warum wir in Deutschland so viel mehr für Arzneimittel als andere europäische Länder zahlen müssen", sagt Report-Herausgeber Ulrich Schwabe. Der Magensäurehemmer Omep koste etwa 545 Prozent mehr als in Schweden, das Herzkreislaufmittel Meto-Hexal 270 Prozent mehr und das Schilddrüsenmittel L-Thyroxin 78 Prozent mehr. Würden die Preise entsprechend sinken, könnten 9,4 Milliarden Euro gespart werden.
Nun handelt es sich bei den genannten Mitteln um Generika, also Nachahmerpräparate, die eigentlich ohnehin günstiger sein sollten als die Originale - und für die es Festbeträge gibt, also Obergrenzen für die Erstattung. Warum dann die hohen Preise?
Klare, harte Vorgaben für die Hersteller sehen die Report-Autoren als nötig an. Skandalöse Preise, unkeusche Strategien, in den Markt gedrückte Krebsmittel ohne Zusatznutzen sowie geheim gehaltene Nutzenstudien zu Mitteln - Ärztevertreter Leonhard Hansen feuerte eine Salve der Kritik in Richtung Industrie ab. Zu teure neue Medikamente, zu viele patentierte Mittel, die genauso durch Generika ersetzt werden könnten, und zu teure Generika treiben die Kosten nach oben.
Bei den neuen Mitteln will die Koalition nun das Preismonopol der Pharmabranche brechen. Die Hersteller sollen den Nutzen nachweisen. Die Angaben werden dann geprüft - und der Bundesausschuss von Ärzten und Kliniken bewertet den Nutzen unabhängig. Schließlich sollen Kassen und Hersteller auf dieser Basis über Rabatte verhandeln.
Das Verfahren hört sich kompliziert an - und doch gibt es den Experten Anlass zur Hoffnung. Zumindest innerhalb einiger Jahre könne sich so allmählich ein niedrigeres Preisniveau einspielen, meint der Mitherausgeber des Reports, Dieter Paffrath. Doch Zweifel bleiben. So geriet die Koalition in die Schlagzeilen, weil das Gesundheitsministerium und nicht der unabhängige Bundesausschuss die Nutzenbewertung regeln soll.