Aussichtsloser Kampf gegen die Pillen-Mafia?

Berlin (dpa) - Medikamente im Internet zu bestellen, finden etliche Verbraucher bequem und preiswert. Doch was, wenn die Mittel gepanscht und gefährlich sind? Ermittler und Gesundheitsexperten warnen vor illegalem Medikamentenhandel.

Herzinfarkt nach Viagra. Hoher Blutdruck, der trotz Medikamenten nicht runtergeht. Der boomende Handel mit gefälschten Arzneien macht auch Apothekern, Ermittlern und Medikamentenherstellern immer mehr zu schaffen. „Jedes Jahr gibt es mehr illegale Medikamente“, warnte Peter Keller vom Zollkriminalamt bei einem Forum in Berlin. Vertrieben würden die Plagiate meist über das Internet, hergestellt beispielsweise in Osteuropa oder Indien. „Alles, was schön, schlank und stark macht“, sei besonders gefragt, so Experte Keller. Dabei riskierten Verbraucher wegen eines niedrigen Preises ihre Gesundheit.

„Das ist kein nationales Problem“, schätzte sein Kollege Wolfgang Schmitz ein. So seien bei einer weltweiten Razzia unter Leitung von Interpol im Juni dieses Jahres in rund 100 Staaten 9,8 Millionen Medikamentenfälschungen beschlagnahmt und 58 Verdächtige verhaftet worden. Tausende Internetseiten, die auf illegale Händler verwiesen, wurden abgeschaltet. Sicherheits- und Gesundheitsbehörden arbeiten über Ländergrenzen hinaus zusammen.

„Doch wir kratzen nur am Eisberg“, räumte Experte Keller ein. Laut Zollkriminalamt wurden deutschlandweit zwar von Januar bis August dieses Jahres mehr als zwei Millionen gefälschte Tabletten, Pulver und Ampullen und damit 20 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum 2012 aus zumeist unhygienischen ausländischen Hinterhof- oder Garagenwerkstätten sichergestellt. Zugleich wurde ermittelt, dass 2013 schon mehr als fünf Millionen illegale Tabletten in den Handel kamen.

„Das wahre Ausmaß liegt im Dunkeln“, so Keller. Hohe Gewinne und niedriges Risiko riefen die Kriminellen auf den Plan. So lägen beim illegalen Potenzmittel Viagra die Kosten pro Kilogramm bei 40 bis 50 Euro. Die Verkaufserlöse lägen aber bei bis zu 23 000 Euro - je Kilogramm.

Einig waren sich die Experten: Auch der Käufer trägt Verantwortung. Oft sei es lebensgefährlich, zu Präparaten unklarer Herkunft zu greifen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO gehe davon aus, dass jedes zweite im Internet gekaufte Medikament gefälscht ist. Gegen zertifizierte Internet-Apotheken spreche aber nichts, hieß es. Und: Illegale Medikamente zu kaufen, sei Hehlerei und eine Straftat, so Zollkriminalamt-Sprecher Schmitz.

Sendungen der Pillen-Mafia würden an Flughäfen, Seehäfen oder in Paketzentren entdeckt. Gelinge dies nicht, gebe es meist keine Handhabe mehr, hieß es. Neuerdings schnüffele auch ein speziell ausgebildeter Hund nach illegalen Medikamenten. Im Vorjahr wurden deutschlandweit rund 1800 Ermittlungsverfahren gegen mutmaßliche Täter eingeleitet.

Gehandelt werde auch mit falschen Verhütungsmitteln, Medikamenten gegen Rheuma, Krebs oder Alzheimer mit zu vielen, zu wenigen oder falschen Wirkstoffen, wie der Vorsitzende der Arzneimittelkommission Deutscher Apotheker, Martin Schulz, warnte. Der konventionelle Weg vom Hersteller direkt zur Apotheke sei ein sicherer, sagte er.

Derzeit wird ein neues System getestet. Ob Fläschchen und Schachteln samt Inhalt echt sind, soll künftig mit einem Barcode kontrolliert werden. Bis 2017 soll das Kontrollsystem europaweit eingeführt werden.