Brustimplantate-Urteil: Nicht übereilt auf Schadenersatz klagen
Hamburg (dpa/tmn) - Im Skandal um die Brustimplantate aus Billig-Silikon ist ein Urteil gefallen: Der Gründer des Herstellers PIP muss wegen bewusster Täuschung seiner Kunden vier Jahre in Haft. Betroffene Frauen sollten eine Schadenersatzklage aber nicht übereilen.
Nach dem Urteil gegen den Gründer des Herstellers von minderwertigen Silikon-Brustimplantaten sollten betroffene Frauen nicht übereilt auf Schadenersatz klagen. Selbst bei Erfolg vor Gericht sei sehr zu bezweifeln, dass die Klägerinnen Geld bekommen, sagte Christoph Kranich von der Verbraucherzentrale Hamburg. Denn das Hersteller-Unternehmen Poly Implant Prothèse (PIP) ist mittlerweile insolvent. Bei dem zu vier Jahren Haft verurteilten Gründer sei daher wohl nichts mehr zu holen.
Wichtiger sei es, dass betroffene Frauen, deren Körper durch das minderwertige Material Schaden genommen hat, gesund werden. Sie müssten hochwertigen Implantatersatz bekommen. Klagen gegen die behandelnden Ärzte bringen Kranich zufolge nichts, weil diese sich auf die Zertifizierung der Implantate durch das Prüfunternehmen TÜV Rheinland verlassen hätten.
Ansprüche gegen den französischen Staat bestehen laut Kranich ebenfalls nicht, weil es sich um ein Privatunternehmen handelt. Auch von Systemversagen könne keine Rede sein, da es ja mit dem TÜV eine Prüfinstanz gab. Dieser war für die Zertifizierung der Implantate und des PIP-Qualitätssicherungssystems zuständig. In einem Zivilverfahren war der TÜV vor wenigen Wochen in erster Instanz allerdings für schuldig befunden worden, seine „Pflicht zur Kontrolle und Wachsamkeit“ verletzt zu haben. Das Unternehmen hat dagegen Berufung eingelegt.
Durch das Urteil gegen den TÜV waren die Chancen von Betroffenen auf Schadenersatz zuletzt aber gestiegen. Frauen, deren Implantate der Firma Poly Implant Prothèse (PIP) geplatzt sind, könnten nach Angaben von Regine Cramer, Fachanwältin für Medizinrecht aus Essen, unter Umständen Geld vom deutschen Prüfdienstleister bekommen. Eine Klage könnte erfolgreich sein, wenn den Frauen wegen der geplatzten Implantate ein körperlicher Schaden entstanden ist. Wer zum Beispiel eine Entzündung nachweislich wegen eines geplatzten PIP-Implantats bekommen hat und deshalb an der Brust operiert werden musste, der habe Aussicht auf Erfolg.
Frauen allerdings, die ihr unversehrtes Implantat vorsichtshalber entfernen haben lassen, dürfen nicht auf Schadenersatz hoffen. Keine guten Aussichten haben außerdem Frauen mit geplatzten Implantaten, die an Krebs erkrankt sind und daraus Ansprüche ableiten. In noch keinem Gerichtsverfahren sei nachgewiesen worden, dass defekte Implantate Brustkrebs verursachten, betont Cramer.
Dass das Urteil in Frankreich gesprochen wurde, ist für Klägerinnen in Deutschland ein weiterer Aspekt, der das Durchsetzen ihrer Ansprüche erschweren könnte. Denn nur weil ein Richter in Frankreich findet, dass der TÜV Rheinland seine Pflicht verletzt hat, muss ein Richter in Deutschland das noch lange nicht so sehen.
Kranich weist außerdem darauf hin, dass eine Klage gegen den verurteilten PIP-Gründer in Frankreich eingereicht werden müsste, da es sich um eine französische Firma handelt. Und es könnte sein, dass die Klägerinnen auch im Erfolgsfall auf den Gerichtskosten sitzen bleiben. Denn das Unternehmen sei ja zahlungsunfähig, daher würde das Gericht die Kosten wohl von der Klägerseite einfordern.