Sachsen profitiert vom Trend Cool-Climate-Weine: Klimawandel als Chance für Winzer

Dresden (dpa) - Alle reden vom Klimawandel. Doch nicht immer sind es die negativen Auswirkungen der Erwärmung, die dabei im Vordergrund stehen.

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„Dass sich das Ganze nach Norden verschiebt, sorgt dafür, dass wir auf der großen Bühne der Weinmacher, wo wir früher im Schatten standen, jetzt im Licht stehen“, sagt Karl Friedrich Aust. Er ist Inhaber des gleichnamigen Weinguts am Radebeuler Goldenen Wagen, einem Weinberg am sächsischen Elbhang, der mit seinen Trockenmauern und Terrassen seit Generationen das Bild der inzwischen denkmalgeschützten Weinberglandschaft mitprägt.

„Sachsen war lange Zeit zum Weinmachen nur marginal geeignet“, sagt der Winzer, der ursprünglich mal Steinmetz gelernt hat, bevor er den historischen Hof von seinen Eltern übernahm und zum Weingut ausbaute.

Schon vor über 800 Jahren wurden in Sachsen Reben kultiviert. „Dann wurde die Qualität gesteigert, indem man in die Steillagen ging und Mauern baute. Das sehen wir heute noch in der Kulturlandschaft.“ Die steilen Lagen boten im kühlen Klima höhere Temperaturen und damit eine bessere Reife der Trauben. Durch die Sonne aufgeheizt, sorgten die Mauern für zusätzliche Wärme.

„Heute ist es an den Mauern so warm, dass wir Luft lassen und die Terrassen von der Rückseite her bewirtschaften“, sagt Aust. Auch sind die Terrassen nicht mehr schräg angelegt, sondern gerade. „Die Reben können sich ruhig gegenseitig beschatten. In der Steillage ist das nicht verkehrt, sonst verkochen die Trauben.“ Der Klimawandel ist im nordöstlichsten Weinanbaugebiet Europas deutlich spürbar.

Sachsen habe 2015 von allen deutschen Anbaugebieten die meisten Sonnenstunden gehabt. „Nun könnte man meinen, dass diese Sonnenstunden die Weine überreif machen oder alkoholisch werden lassen.“ Das sei aber nicht der Fall. „Wir hatten 2015 trotz der vielen Sonnenstunden Weine, die bei 11 und 12 Prozent Alkohol lagen, während die in Baden am Kaiserstuhl schon mit 14 Prozent kämpfen müssen.“ Grund sei die Kühle, die sich im Elbtal am Abend meist schnell einstelle. „Wenn die Temperatur nachts unter 17, 18 Grad fällt, können sich der Rebstock und die Trauben regenerieren.“

Die Pflanzen bräuchten die ständige Wechselwirkung von warm und kalt, um Geschmacksaromen zu bilden. „Der Wein würde ansonsten nicht tiefgründig schmecken.“ Und die Wechselwirkung sorge auch dafür, dass die Trauben nicht so viel Zucker einlagern und am Ende nicht so alkoholisch sind. „Und das ist die Chance, die wir hier haben und die wir als Cool Climate bezeichnen.“

Der Trend spielt Aust und vielen seiner Winzerkollegen in der Region in die Hände. „Light Wines sind absolut gefragt“, bestätigt Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut. Kamen solche Cool-Climate-Weine ursprünglich vor allem aus Ländern wie Chile, Neuseeland oder den USA, haben auch deutsche Winzer längst das Potenzial für sich erkannt. Und der Klimawandel hilft ihnen, es zu nutzen.

Sachsen und Saale-Unstrut gehörten „zu den deutlichen Gewinnern des Klimawandels“ in Deutschland, sagt Büscher. Die Erwärmung mache es möglich, „dass man den Zeitpunkt der Lese heute abwarten kann. Es ist gar keine Frage mehr, ob die Trauben reif werden.“

In den 60er, 70er und 80er Jahrgängen des letzten Jahrhunderts habe es immer wieder komplette qualitative Ausfälle gegeben, erinnert Professor Hans Reiner Schultz, der an Hochschule Geisenheim zu den Auswirkungen des Klimawandels auf den Weinbau forscht. „Der letzte wirklich schlechte Jahrgang war 1987. Und qualitativ schlecht heißt, das Traubenmaterial wird einfach nicht richtig reif.“

Zwar gebe es immer mal wieder kühlere Jahre. „Aber wir haben mittlerweile ein viel verlässlicheres Reifestadium, das man erreichen kann.“ Und das sei unerlässlich auf dem globalisierten Weinmarkt. „Wenn wir solche Totalausfälle wie in den 70er und 80er Jahren heute hätten, wäre Deutschland ruckzuck weg vom Fenster. Also hat uns der Klimawandel eigentlich eine bessere Position im Sinne einer verlässlichen qualitativen Produktion am Markt verschafft.“

Doch der Wandel bringt auch Risiken mit sich. „Mit der Erwärmung bekommen wir es auch mit Pflanzenkrankheiten zu tun, die wir vorher nicht hatten. Weil beispielsweise auch Insekten ganz andere Temperaturoptima haben“, sagt Schultz. Früher sei das kein Problem gewesen, da Winterfröste die Schädlinge dezimiert hätten. „Aber heute haben wir teilweise Rebkrankheiten, die wir vor 20, 30 Jahren überhaupt nicht gehabt haben.“ Zudem würden die Früchte mit zunehmendem Zuckergehalt anfälliger für Fäulnis. „Und das merkt man eben auch.“

Mit einer weiteren Klimaerwärmung habe der Weinbau in Deutschland absehbar keine Probleme - im Gegensatz zu den Gebieten im Mittelmeerraum. „Wir haben hier in Deutschland noch extrem Luft nach oben“, sagte Schultz. Außerdem seien Reben eine Wärme liebende Kultur. „Und die hasst nichts mehr als nasse Füße. Deshalb ist die klimatische Entwicklung, wie sie jetzt abläuft, eher positiv.“