Der „Mehrfronten-Kampf“ gegen Zika
Rio de Janeiro (dpa) - Der Karneval ist vorbei, jetzt drängt mit aller Macht das Zika-Problem zurück in den Alltag der Brasilianer. Es fehlt noch der klare Beweis, dass eine durch Moskitostiche ausgelöste Zika-Infektion bei Schwangeren Schädelfehlbildungen bei ihren Babys auslösen kann.
Aber die Gerüchte überschlagen sich, das löst teils panikartige Reaktionen in dem am stärksten betroffenen Land aus. Nun sollen 220 000 Soldaten in Brasilien ausschwärmen, um im Kampf gegen den „Staatsfeind Nummer 1“, die Moskitoart Aedes aegypti, zu helfen. Mehrere Menschen sollen nach Behördenangaben schon an einer Zika-Infektion gestorben sein - im Normalfall führt das Virus nur zu harmlosen Symptomen wie Fieber, Hautrötungen, Kopfschmerzen. Was also tun, um die Epidemie, die sich inzwischen auf über 30 Länder erstreckt, in den Griff zu bekommen?
PUNKT 1: Man braucht rasch fundierte Forschungserkenntnisse. Der Druck gerade auf die brasilianischen Gesundheitsbehörden ist groß, denn die Spekulationen führen laut Ärzten zu immer mehr Abtreibungen. Die katholische Kirche warnt vor der vorschnellen Tötung ungeborenen Lebens und einer „Lex Zika“, um Abtreibungen zu erleichtern. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit, die USA und Brasilien arbeiten gemeinsam an einem Impfstoff. Bis zur Marktreife dürfte es Jahre dauern.
PUNKT 2: Sensibilisierung der Bevölkerung. Beim Aktionstag in Brasilien am Samstag geht es um ein Zeichen nach innen und nach außen. Die Soldaten und Tausende Mitarbeiter der Gesundheitsbehörden sollen mit Flugblättern informieren und bis zu drei Millionen Häuser besuchen, den Bürgern erklären, dass sie selbst kleine Pfützen und Wasserrückstände vermeiden müssen, da die Moskitos hier überall ihre Eier ablegen und sich so vermehren. Gerade in den Favelas gibt es mangels moderner Kanal- und Abwassersysteme viele Brutstellen. Nach außen soll demonstriert werden, dass man den „Krieg“ gewinnen kann - gerade mit Blick auf die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro im August. Allein in Rio werden daher 71 000 Soldaten eingesetzt.
PUNKT 3: Militär gegen Moskitos. In einer zweiten Etappe sollen in den nächsten Wochen 50 000 Militärs in besonders betroffenen Gegenden Moskitos und Eiablageplätze eliminieren. Zudem soll in Tausenden Schulen über die Gefahren durch die Moskitoart aufgeklärt werden, die inzwischen auf 81 Prozent der Landesfläche Brasiliens aktiv ist.
PUNKT 4: Eine staatliche und private Besprühungsoffensive. Die Regierung hat seit Ausbruch der Epidemie 100 Tonnen an Chemikalien (Larvicidas) an die Bundesstaaten verteilt, die Gewässern beigemischt werden, um die Moskitovermehrung dort einzudämmen, dazu 550 Tonnen an Insektiziden, um Häuser Moskitofrei zu bekommen. Viele Bürger sind längst im persönlichen Anti-Moskito-Kampf. Der Moskitospray-Verkauf hat um rund 50 Prozent zugenommen, die Unternehmen produzieren 24 Stunden am Tag und sogar aus Argentinien muss Nachschub importiert werden. 14,7 Millionen Moskitoschutzmittel wurden der Zeitung „Globo“ zufolge 2015 verkauft - 2016 dürfte ein neues Rekordjahr werden.
PUNKT 5: Neue Methoden. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) setzt auf einen ganz anderen Ansatz: Sie will die Fortpflanzung der Stechmücken unterbrechen, sagt der Leiter des IAEA-Labors, Marc Vreysen. Dort werden männliche Moskitos radioaktiver Strahlung ausgesetzt und so sterilisiert. Sie werden dann freigelassen, um sich mit Weibchen zu paaren. Diese legen Eier, es schlüpft aber kein Nachwuchs. In Guatemala werden zum Beispiel derzeit massenhaft bestrahlte, unfruchtbare Fruchtfliegen freigesetzt, um die Bananenplantagen zu schützen. Andere Ansätze sind genetische Veränderungen oder Mücken mit einem Bakterium zu infizieren, das bei den Männchen die Spermien verändert und so die Fortpflanzung stoppt.
Aber: In der aktuellen „Moskitohochsaison“, die bis etwa Mai dauert, dürfte ein großflächiger Einsatz solcher Methoden organisatorisch in Brasilien kaum zu schaffen sein. Die Regierung setzt vorerst auf die „Chemiekeule“. Argentinische Ärzte bringen in diesem Zusammenhang aber nun die Möglichkeit ins Spiel, dass gerade dies für die Zunahme an möglichen Mikrozephalie-Fällen mitverantwortlich sein könnte - und gar nicht Zika. Dort wo das Insektizid Pyriproxyfen dem Trinkwasser zugesetzt worden sei, gebe es vermehrt Mikrozephalie-Fälle. So gebe es in Kolumbien zwar auch Zehntausende Zika-Fälle - aber nicht diese dramatische Häufung an möglichen Schädelfehlbildungen bei Babys.