Der Stress beginnt im Kopf
Wer zuviel Druck zulässt, kann krank werden mit schweren Folgen für Körper und Geist.
Düsseldorf. Zeitdruck, Hektik, Chaos: Stress gehört für die meisten Menschen zum Alltag. Ein Termin jagt den nächsten, auf dem Schreibtisch stapeln sich die Akten. Die Kinder quengeln, der Einkauf ist noch unerledigt, der Hund muss raus.
Einige können gut damit umgehen, für andere ist Stress eine Gefahr für die Gesundheit. Stellen Sie sich vor, Sie leben in der Steinzeit, streifen durch den Wald und werden von einem Raubtier angegriffen - der Prototyp einer Stress-Situation. Der Körper schüttet Stresshormone aus, der Puls beschleunigt sich, und der Atem geht schneller, damit Gehirn und Muskeln mit Sauerstoff versorgt werden.
Blitzschnell schüttet das Gehirn Alarmstoffe aus und setzt die Hormone Adrenalin und Kortisol frei. Es folgt die Generalmobilmachung des Körpers: Muskeln werden vermehrt mit Energie versorgt, das Herz schlägt schneller, der Blutdruck steigt.
In unserer modernen Welt sehen Stress-Situationen anders aus. Zeitdruck, Computerabstürze oder Beziehungskrisen belasten uns. Je mehr überall von Krisen die Rede ist, desto stärker fühlen wir uns bedroht.
Der Körper gerät allerdings auch dadurch in ständige Alarmbereitschaft. Selbst wenn es gar nicht um Leben und Tod geht, wird Stresswelle um Stresswelle ausgelöst. Eine daueralarmierte Psyche kann nicht nur das Immunsystem schwächen und Krankheiten auslösen, sondern sogar chronisch werden und den Gehirnstoffwechsel durcheinander bringen.
"Wir werden ängstlicher und können dadurch etwaige Gefahren in der Umwelt viel besser erkennen. Aber wenn dieses System gar nicht mehr abgeschaltet wird, entsteht eine Angststörung mit schlimmen Folgen für Körper und Geist", weiß Bruce McEwen, ein Pionier der Stressforschung an der New Yorker Rockefeller University. Daher sollte man zumindest den Dauerstress nicht auf die leichte Schulter nehmen.
Neuste wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass das menschliche Gehirn den vermeintlichen Stressauslösern keineswegs so hilflos ausgeliefert ist, wie lange vermutet wurde. Dabei ist vor allem die innere Einstellung entscheidend.
"Stress entsteht meist dann, wenn wir der Meinung sind, dass wir bestimmte Ansprüche nicht erfüllen können", sagt Ruth Limmer, Professorin an der Georg-Simon-Ohm-Hochschule in Hannover. "Es gibt kein Ereignis, das von verschiedenen Menschen gleich bewertet wird", erzählt die Psychologin.
Jeder Mensch erlebe dieselbe Situation völlig anders und fühle sich dadurch unterschiedlich gestresst. Stress ist demnach eine Kopfsache. Ob er uns schadet oder zu besonderen Leistungen treibt, hängt nicht nur von der Dosis ab. Sondern auch davon, wie gut wir uns dagegen schützen können.
Daher gilt: Wenn Stress im Kopf beginnt, dann tut es auch die Gelassenheit. Es ist unsere Wahl, ob wir uns im Alltag durch die vielen kleinen und größeren Unannehmlichkeiten, Hindernisse und Enttäuschungen aus der Fassung bringen lassen oder nicht.
"Dass wir so leicht aus dem Gleichgewicht geraten, hängt auch mit unserer Erfahrung zusammen, dass alles schnell oder am besten sofort geschehen muss und wir die Kontrolle nicht verlieren dürfen.", glaubt Psychotherapeutin Irmtraud Tarr.
Dabei ist die innere Haltung entscheidend, mit der wir Dingen und Umständen begegnen. "Aufgeregtheit, Gespanntheit und Hysterie machen viele Dinge nur noch schlimmer und geben ihnen eine Bedeutung, die ihnen nicht zusteht. Nur zu oft vergessen wir, dass das Leben ein Geschenk und nicht eine Liste von Erledigungen ist, die es abzuhaken gilt".