Deutsche Bio-Bauern kommen gestiegener Nachfrage nicht hinterher
Nürnberg (dpa) - Der Bio-Markt in Deutschland wächst weiter - eine positive Nachricht für die Branche. Es gibt jedoch auch einen Wermutstropfen: Die deutschen Öko-Bauern können bei weitem nicht genug produzieren.
Das liegt auch an den vielen neuen Biogasanlagen.
Längst gibt es Bio-Lebensmittel in jedem Supermarkt, auch Discounter und Drogeriemärkte kommen nicht mehr ohne Produkte mit einem Öko-Siegel aus. Der Markt hat Experten zufolge auch im vergangenen Jahr weiter zugelegt - für die Branche ein Grund zur Freude. Doch zugleich verschärft sich dadurch das Problem, dass die heimischen Bauern mit der Produktion nicht mehr hinterherkommen. Wie die ökologische Landwirtschaft auf die Herausforderungen reagieren kann, ist eines der Themen, die von Mittwoch (12. Februar) an auf der weltweit größten Öko-Messe Biofach in Nürnberg diskutiert werden.
Deutschland ist nach Angaben des Forschungsinstituts für biologischen Landbau nach den USA der zweitgrößte Biomarkt der Welt. 2012 wurden hierzulande erstmals mehr als sieben Milliarden Euro erlöst. Auch 2013 ging es aufwärts: „Die Marktentwicklung ist weiter eine positive, das ist erfreulich“, bestätigt der Geschäftsführer des Bunds Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), Stefan Zwoll. „Aber das Flächenwachstum kommt dem nicht nach.“
Ein Grund dafür ist die finanziell geförderte Nutzung von Biomasse für Biogasanlagen. Der Anbau von Mais zur Stromerzeugung rentiere sich dadurch viel mehr als der von Getreide oder Gemüse - erst recht, wenn es nach ökologischen Kriterien angebaut werde, klagt Zwoll. Durch den Boom der Biomasse seien auch die Pacht- und Verkaufspreise für Äcker gestiegen: „Wir kämpfen um die Fläche, das sehen wir in allen Regionen Deutschlands.“
Hinzu komme, dass die politischen Rahmenbedingungen nicht verlässlich seien. Viele der herkömmlich wirtschaftenden Bauern scheuten deshalb derzeit die Umstellung auf Bio-Produktion, berichtet Zwoll. So sei derzeit noch völlig unklar, wie sich die neue EU-Agrarpolitik von 2015 an auf die Umstellungs- und Beibehaltungsprämien der einzelnen Bundesländer auswirke.
Die Folge: Ein stetig größer werdender Anteil der Bio-Lebensmittel muss importiert werden. Zumal das Angebot in den Bio-Läden immer vielfältiger wird: Von Ingwer und Mangojoghurt über Pflaumenketchup bis hin zu Frühlingsrollen und Edel-Schokolade reicht die Palette. Vieles davon können die deutschen Bauern schon rein klimatisch bedingt nicht anbauen. Dafür profitierten sie 2013 von steigenden Preisen, besonders Obst und Gemüse zogen nach schwachen Ernten an.
Auch der Handel kann nicht klagen. „Wir wachsen nach wie vor erfreulich im Naturkosthandel, sowohl die bestehenden Läden als auch die neu hinzukommenden“, sagt die Geschäftsführerin des Bundesverbands Naturkost Naturwaren (BNN), Elke Röder. Der Umsatz in den Fachhandelsgeschäften dürfte um die zehn Prozent zugelegt haben. „Es ist seit acht Jahren das höchste Wachstum. Wir haben viele, auch großflächige Neueröffnungen, das erklärt etwa die Hälfte des Wachstums“, erläutert Röder. Selbst Mittelzentren würden von den Bio-Ketten inzwischen systematisch als potenzielle Standorte geprüft.
Ein weiterer Impuls komme von den Um-die-30-Jährigen. „Wir nehmen wahr, dass wir wieder vermehrt junge Kunden haben“, sagt Röder. Darin spiegele sich auch eine neue Ernährungskultur wider: „Das soll bio sein, das soll nachhaltig sein, und das muss nicht unbedingt Fleisch sein. Eine vegetarische Ernährung ist offensichtlich bei vielen Leuten mit Bio kombiniert.“
Die Branche selbst wird derzeit von der anstehenden Revision der EU-Ökoverordnung umgetrieben. Dabei deutet sich an, dass künftig nicht mehr der komplette Anbauprozess, sondern nur noch eine Prüfung des Endprodukts entscheidend für die Erteilung des Siegels sein soll. „Das wird in Fachkreisen sehr kritisch gesehen“, betont Röder.
Ein Grund: Spuren von Pestiziden können im Labor auf vielen Bio-Produkten nachgewiesen werden, weil sie über die Atmosphäre auf das Gemüse gelangen. „Setzt man den Grenzwert auf Null, tut man so, als ob Bio im Glashaus produziert wird“, erklärt Röder. Ein weiterer Grund: Bislang wird bei Bio-Produkten der gesamte Anbau- und Entstehungsprozess kontrolliert, bei Verunreinigungen wird nach der Ursache gefahndet. Betrachte man künftig nur noch das Endprodukt, werde die betroffene Charge schlicht als konventionelle Ware verkauft, meint Röder. „Aber das Problem ist nicht behoben.“