Einkauf nach der Jahreszeit: Deutsche wollen Frische statt Vielfalt
Berlin (dpa) - Die Jahreszeit bestimmt den Einkaufszettel: Deutsche Verbraucher lieben Obst und Gemüse aus ihrer Region und nehmen dafür je nach Saison auch Einschränkungen bei der Menüplanung in Kauf.
Himbeeren im Winter? Nein Danke! Deutsche Verbraucher wollen Obst und Gemüsen dann kaufen, wenn es hierzulande reif ist. Kurze Transportwege und erntefrische Produkte sind ihnen wichtiger als Vielfalt: Nur sieben Prozent sind nicht bereit, beim Einkauf in manchen Monaten auf bestimmte Nahrungsmittel zu verzichten, ergab eine am Montag (12. August) vorgelegte repräsentative Umfrage. Besonders ausgeprägt ist das Bewusstsein für Saisonware bei Älteren: 92 Prozent der über 55-Jährigen wollen keine Erdbeeren in der kalten Jahreszeit.
Knapp 90 Prozent der Verbraucher überprüfen dabei auch, wo das Produkt herkommt, fand das Meinungsforschungsinstituts YouGov heraus Diese Prüfung führt nicht immer zum Kauf: Doch immerhin zwei Drittel der Befragten bevorzugen klar Produkte aus ihrer Gegend. „Regionalität schafft Identität. Man verbindet im Kopf das Produkt mit dem Bild einer Landschaft“, erklärt Johannes Funke vom Deutschen Bauernverband den Trend. „Und dann entsteht eine wohlige Vertrautheit zwischen Erzeuger und Kunde“.
„Lebensmitteleinkauf ist etwas sehr Emotionales“, meint der Lebensmittelexperte Armin Valet - und daher folgt der Einkauf nicht nur vernünftigen Kriterien. „Gefühlsmäßig ist es gut, wenn ich aus der Region kaufe. Ich spüre eine Nähe zum Erzeuger“, sagt Hans-Christoph Behr, Bereichsleiter Gartenbau bei der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft AMI. Behr warnt aber davor, sich zu stark davon einlullen zu lassen. „Regionalität wird verquickt mit Nachhaltigkeit und Bio“, moniert er. „Das geht alles so in eine Soße“.
Seiner Ansicht nach, kann es durchaus auch Nachteile haben, wenn beim Einkauf der Fokus zu stark auf regionalen Erzeugnissen liegt. Das zeige sich schon daran, dass die Regionen-Idee nur für Lebensmittel gelte: „Hat schon mal jemand über regionale Autos nachgedacht?“, fragt Behr. Für ihn spricht beispielsweise das Expertentum dagegen: „Wenn sich jemand auf eine Gemüsesorte spezialisiert, weiß er besser, wie er sie anbauen kann und braucht weniger Dünger und Pflanzenschutz als jemand, der alles anbauen will“. Zudem wachse nicht alles in jeder Region Deutschlands. Und nicht zuletzt sei es manchmal auch rechnerisch sinnvoll, viel auf einmal anzubauen und dann zu transportieren.
Dass regional und angepasst an die Saison in vielen Fällen auch preiswerter heißt, hat die Verbraucherzentrale Hamburg herausgefunden: Sie stellte im Preisvergleich fest, dass beispielsweise Himbeeren im Sommer auf dem Wochenmarkt weniger kosteten als in Discountern, die gemeinhin als billigere Alternative gelten. „Grund ist die Logistik: Die großen Läden müssen die Ware erst in ganz Deutschland verteilen. Bis sie beim Verbraucher ist, ist vieles verdorben“, sagt Valet. Die verdorbene Ware wiederum muss aber in die Preiskalkulation mit einbezogen werden.
Er hat noch mehr Gründe für ein an die Jahreszeit angepasstes Essverhalten: „Erdbeeren, die abends gepflückt und morgens gekauft werden, schmecken auch besser als solche, die ganz aus Marokko hierher gebracht wurden,“ meint Valet. „Regional heißt allerdings nicht zwangsläufig, dass auch weniger Pestizide drin sind“, betont er.
Nicht bei allen Obst- und Gemüsesorten zeigt sich der Trend zum saisonalen Konsum in gleicher Stärke: Erdbeeren und weißer Spargel sind nach Erkenntnissen der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft Paradebeispiele für saisonabhängige Vermarktung. „Es wird immer wieder versucht - auch mit billigen Angeboten - aber beide werden außerhalb ihrer Saison einfach fast nicht verkauft“, sagt Behr. Anders aber Heidelbeeren und Blumenkohl. „Hier gibt es eine ganz starke Off-Season-Nachfrage, die immer stärker wird“, hat Behr festgestellt, ohne Gründe zu kennen.
Behr sieht auch eine gewisse Kapitulation der Verbraucher vor den vielen unterschiedlichen Aspekten - vom Preis bis zum Transportweg - die bei einem Einkauf von Lebensmitteln berücksichtigt werden müssen: „Da sagen sich viele einfach, ich achte auf die Regionalität. Das wird schon gut sein“.